Nach fast 30 Jahren gibt es eine neue Generation der Mercedes G-Klasse.Die meisten Neuerungen sieht man innen

Auf den ersten Blick könnte die neue G-Klasse von Mercedes auch als besonders umfangreiches Facelift der seit 1989 gebauten Baureihe 463 durch­gehen. Doch die neue Generation des kantigen Klassikers, die im Juni auf den Markt kommt, weist doch einige deutliche Unterschiede auf. So ist die G-Klasse rund fünf Zentimeter länger und ganze zwölf Zentimeter breiter geworden – das merkt man vor allem im Fond. Wo die Ellenbogen im Vorgängermodell noch eng an der Tür anlagen, ist nun ordentlich Platz. Mit der Rundumvergrößerung des weiterhin auf einem Leiterrahmen aufbauenden „G“ wurde auch die Optik leicht angepasst. Zwar bleiben markante Details wie die Türgriffe mit Knopfdruck, die Schutzleisten, das ­Ersatzrad am Heck und die exponierten Blinker auf den vorderen Kotflügeln ­erhalten, grundsätzlich wirkt die neue G-Klasse trotzdem sanfter. Das liegt vor allem an den stärker abgerundeten ­Kotflügeln und Stoßfängern, aber auch an der um einige homöopathische Grad gekrümmten Frontscheibe. Windgeräusche produzieren gehört trotzdem ­weiterhin zur Paradedisziplin des „G“. Auffällig sind auch die neu gestalteten Scheinwerfer und Rückleuchten, die dank LED-Technik nun deutlich moderner wirken als bisher.

Während das Exterieur des klotzigen Kraxlers also wunderbar in die Ahnengalerie passt, fand im Innenraum ein weitaus größerer Umbruch statt. Zwar gibt es in der Basis-Ausstattung weiterhin analoge Rundinstrumente, doch die weitaus größere Zahl der G-Klassen dürfte das neue, optionale Widescreen-Cockpit bekommen, das schon aus so vielen anderen Mercedes-Modellen bekannt ist. Unter einer gemeinsamen Glasscheibe sind zwei je 12,3 Zoll große Displays vereint, die sich um die Darstellung von Tacho sowie Infotainment kümmern und größtenteils frei konfigurierbar sind. Dazu gibt es optional einen Aktiv-Multikontursitz mit Heiz-, Kühl- und Massagefunktion sowie Luftpolstern in den Wangen, die sich je nach Kurvenlage zur Unterstützung des Seitenhalts aufblasen. „G“-typische Details wie der Haltegriff vor dem Beifahrer oder die drei mittig positionierten Knöpfe für die Differenzialsperren bleiben dem Klassiker erhalten.

Apropos Differenzialsperren: Die G-Klasse ist – aller neuen Komfort-Features zum Trotz – ein echtes Offroad-Monster geblieben. Vor allem der sogenannte G-Mode im G 500, der mit Einschalten einer der drei 100-prozentigen Sperren aktiv wird, macht deutlich, dass der „G“ weiterhin kein normales SUV, sondern ein echter, beinharter Geländewagen ist. Mit einer Wattiefe von 70 Zentimetern und einer Bodenfreiheit von 24 Zentimetern gibt es wenige Fahrsituationen, die den „G“ aus der Ruhe bringen. Besonders steile Aufstiege, bei denen gewöhnliche SUV schon beim Anblick in den Notlauf schalten würden, sind die bevorzugten Spielwiesen der G-Klasse.

Man kauft sich nicht nur ein Auto, sondern ein Image

Dass die G-Klasse seit jeher ein Offroad-Experte ist, sollte mittlerweile ja eigentlich bekannt sein. Anders sah es dagegen bisher mit den Manieren im normalen Straßenbetrieb aus. Doch auch hier haben die Ingenieure aus Stuttgart nun ordentlich nachgelegt. Dank einer neuen elektromechanischen Lenkung und dem Schritt von der Starr- zur Mehrlenkerachse samt optionalem ­adaptiven Fahrwerk ist die G-Klasse nicht mehr ganz so schwammig und indirekt zu fahren wie bisher. Zwar sind eine konzeptbedingte Hochbeinigkeit und das charakteristische Schaukeln bei Lastwechseln weiterhin Teil des typischen „G“-Gefühls, dank der neuen Lenkung fühlt man sich der Straße aber deutlich verbundener als mit der alten Kugelgelenk-Technik.

Einen Großteil der enormen Souveränität, die von der neuen G-Klasse nun auch auf einer befestigten Straße ausgeht, steuern die beiden verfügbaren Aggregate sowie der neue Antriebsstrang bei. Zum Marktstart im Juni können sich Kunden zwischen dem G 500 (ab 107.000 Euro) mit 310 kW/422 PS und 610 Newtonmetern sowie dem AMG G 63 (ab 148.000 Euro) mit 430 kW/585 PS und 850 Newtonmetern entscheiden. Beide Motoren haben acht Zylinder in V-Bauweise und vier Liter Hubraum samt Turboaufladung. Während der G 63 wirklich eindrucksvoll vorwärtsschiebt, ist der G 500 die rundere Wahl. Das sonore Blubbern des Achtzylinders bleibt erhalten, ist aber weit weniger aufdringlich als beim großen Bruder.

Dank der neuen Neungangautomatik bewegt sich der „G“ sanft und geschmeidig in den Fahrstufen. Lediglich im Sportmodus hält das Getriebe die Gänge gefühlt zu lange und nervt den Fahrer so mit unangenehm hohen Drehzahlen. Wer die G-Klasse ohne allzu schlechtes Gewissen wegen der hohen Verbräuche (G 500, 11,5 l) im Alltag fahren will, sollte aber wohl besser auf die Diesel-Variante mit Reihensechszylinder warten, die der Hersteller noch nachschieben wird.

Nüchtern betrachtet wird kaum ein Käufer das volle Potenzial im Gelände je ausnutzen und könnte daher eigentlich ein normales SUV kaufen, das im Großteil der Anwendungen einfach besser ist als der „G“. Aber wie bei vielen anderen Traditionsmodellen, so verhält es sich auch bei der G-Klasse: Man kauft hier nicht nur ein Auto, sondern auch eine Tradition, ein Image und ein Gefühl.