Das Ökosystem des Straßenverkehrs kennt viele possierliche Tierchen. Eines der faszinierendsten ist die gemeine Wanderbaustelle. Sie ernährt sich von Asphalt und Autofahrernerven und lebt nomadisch. Wo sie sich als Nächstes ­niederlässt, wie lange sie bleibt, wann sie weiterzieht, das ist selbst von Experten bisher nicht vorherzusagen. Plötzlich ist sie da und markiert ihr Territorium mit „Durchfahrt verboten“-Schildern, Fähnchen und Leitkegeln.

Möglicherweise hängen die Wanderungen mit den Paarungsritualen zusammen: Wanderbaustellen haben ganzjährig Paarungszeit. Männchen versuchen mit dreifarbigen Leuchtsignalen, Weibchen auf sich aufmerksam zu machen. Gelingt die Balz, vermehren sich Wanderbaustellen mit einer Geschwindigkeit, die selbst Biologen imponiert. Schnell wirken ganze Stadtviertel wie eine einzige Baustelle, einzelne Exemplare zu unterscheiden, fällt schwer.

Ob die Legende der „ewigen“ Baustelle, die überhaupt nicht wieder verschwindet, zu beweisen ist – auch hier steht die noch junge Disziplin der Baustellenforschung ganz am Anfang.

Die Wissenschaftler konzentrieren sich aktuell hauptsächlich auf das Wanderungsverhalten: Wie gelingt es Wanderbaustellen, unbemerkt den Platz zu wechseln und ohne Vorwarnung aufzutauchen? Bewegen sie sich möglicherweise unterirdisch?

Das Bundesverkehrsministerium hat im vergangenen Jahr den Bob-der-Baumeister-Preis für Verkehrsökologie ausgelobt. Er wird demjenigen in einer feierlichen Zeremonie überreicht, der die ungelösten Rätsel zu lösen vermag, die uns die Wanderbaustelle aufgibt.