Der VW-Konzern stellt sich den Aufgaben der Zukunft. Dabei geht es längst nicht nur um E-Antriebe und selbstfahrende Fahrzeuge

Die Zukunft bei VW hat immerhin schon mal ein Gesicht und trägt auch einen Namen: Sedric. Das Auto, das VWs Zukunftstüftler mit der Abkürzung für Self-Driving Car versehen haben, sieht allerdings eher aus wie der abmontierte und verkürzte Teil eines U-Bahn-Waggons. Es fehlt der Platz für einen Fahrer, und auf die sonst typischen A-, B- und C-Säulen haben die Ingenieure auch verzichtet. Die Räder sind abgedeckt und damit nicht sichtbar.

Die Studie würde nach ihrer Realisierung in erster Linie einen Nutzwert erfüllen. Auch künftig sollen Autos aber Emotionen erzeugen, und sie sollen vor allem vielfältige Aufgaben erfüllen. Aber Fahrzeuge wie den Sedric dürfte es tatsächlich eines Tages geben, also Modelle, wie Autodesigner Peter Wouda es nennt, mit „einer Willkommenskultur“: Die breiten Türen gehen auf, und wer möchte, lässt es sich vor allem auf den Plätzen in Fahrtrichtung gut gehen.

Trotz Dieselskandal gibt es bei VW eine Aufbruchsstimmung

Autos dieser Art, die schon in fünf Jahren auf den Straßen zu finden sein könnten, werden zu einem zweiten Wohnzimmer – und damit zu bewegten Lebensbereichen. Der Clou dabei: Sie können auch von Passagieren genutzt werden, die gar keinen Führerschein besitzen. Dabei aber wird es nicht bleiben. Autos dürften langfristig, also in 25 bis 30 Jahren, Grenzen überschreiten, welche die heutige Vorstellungskraft übersteigen.

Der Volkswagen-Konzern hat sich erkennbar dieser Aufgabe angenommen, wie an Mitarbeitern wie Designer Wouda, Wolfgang Müller-Pietralla, der eine ganze Abteilung unter sich hat, die sich mit ­Zukunftsforschung und Trendtransfer beschäftigt, und Chief Digital Officer Johann Jungwirth deutlich wird. Ihre Job-Bezeichnungen beschreiben Arbeits­bereiche, die Ideen in höchst unterschiedliche Richtungen zulassen. Und die von Konzernchef Matthias Müller sogar eingefordert werden.

Noch vor zwei Jahren, unter Martin Winterkorn, wurden andere Prioritäten gesetzt. „Es ging um die Präzision des Blechs, die Güte der Flächen und Kanten“, sagt Wouda. Für die Ergebnisse dieser Arbeit würden sie heute weltweit von der Konkurrenz bewundert. Wer Winterkorn jedoch mit Ideen gekommen sei, die abseits der aktuellen Fahrzeugentwicklung lagen, habe „bei bestimmten Themen auf die Finger“ bekommen. Die Unternehmenskultur ist heute im Konzern offener. Es hat sich trotz Dieselskandal in weiten Teilen des VW-Konzerns eine Aufbruchsstimmung breitgemacht. So hätten sich noch bis vor zwei Jahren die einzelnen Marken des Konzerns gegeneinander abgeschottet. In einer trüben Modellhalle seien die Fahrzeuge nach Marken sortiert worden. Und wer kam, sollte „nicht sehen, was die anderen machen“, sagt Wouda. Nun seien diese Bereiche für alle Mitarbeiter zugänglich, Grenzen gibt es nicht mehr. Wer in die Zukunft des VW-Konzerns blickt, „darf keine Angst haben vor der Komplexität der Aufgaben“, sagt Zukunftsforscher Müller-Pietralla. „Was ist denn überhaupt Fahrspaß?“, stellt er zum Beispiel als Frage in den Raum. Der eine wolle, was den anderen überhaupt nicht interessiere. Und daraus resultiert für ihn, dass es eine enorme Vielfalt der Fahrzeuge geben wird. Die Autos von morgen würden zugeschnitten sein auf das Individuum. Sie werden von selbst fahren oder wie heute vom Fahrer gelenkt werden können. Und dafür werde man nicht zwei verschiedene Autos benötigen, weil alles variabler werde.

Konkreter wird Designer Wouda. Der Fahrer von morgen werde auf den Batterien seines Autos sitzen, das höher gebaut sein wird. So gesehen sind SUV, so kurios das auch scheinen mag, wenigstens von der Karosserie her Autos, die über die Gegenwart hinausreichen. BMW hat es mit der Entwicklung des i3 für Wouda bereits vorgemacht. „Die haben Pionierarbeit geleistet“, sagt er. „Und dabei kann man eben auch auf die Nase fallen.“ Die Proportionen des i3 findet Wouda nicht gelungen. „Unsere neu entwickelten Elektroautos werden attraktiver aussehen.“ Die Vorderwagen würden kürzer werden, weil da ja „kein Motor untergebracht werden muss“.

Die Räder würden weiter vorn montiert werden, und dadurch würden sich neue Chancen für den dann größeren Innenraum und dessen Gestaltung ergeben. Und diese Autos sollen mehr können als heute.

Das Auto der Zukunft weiß, wer es fahren wird, sobald sich ein Fahrer nähert. Das gilt auch innerhalb der Familie. Ob Mann, Ehefrau oder Kinder einsteigen, das Auto weiß schon Bescheid. Zukunftsforschung geht weit darüber hinaus, ob nun ein E-Motor den Wagen antreibt, er von selbst fährt oder welches Design er hat. „Es war noch nie so spannend, Teil der Autoindustrie zu sein“, sagt Wouda.