Die neue BMW G 310 GS hat nur 34 PS, gibt sich aber kraftvoll wie eine Große

Es klingt nicht sonderlich attraktiv, wenn man ein paar Meter vom Mittelmeerufer entfernt in Barcelona steht und erfährt, dass an die 300 Kilometer Land- und Bergstraßen bis zum Übernachtungsziel in 2100 Meter Höhe zu absolvieren sind – und zwar mit gerade einmal 34 PS aus lediglich 313 Kubikzentimeter Hubraum. Zehn Stunden später schmeckt das Ankunftsbier in einem herbstlich verwaisten Skiresort in Andorra kein bisschen weniger gut, als wäre man auf einer BMW R 1200 GS durch die Pyrenäen geschnürt. BMW hat es geschafft, der neuen, ab 5800 Euro lieferbaren Ein-Zylinder-GS einen souveränen Erstauftritt zu verschaffen: Die G 310 GS fühlt sich beim Fahren auf den kurvenreichen Pyrenäen-Bergstraßen unerwartet erwachsen an.

Eine GS gilt etwas in der Motorradszene. Ihre besondere Wertigkeit bezieht sie aus ihrer Souveränität und dem Wissen ihres Fahrers: „Ich könnte ja, wenn ich wollte …“ Am Motorrad jedenfalls würde die Tour zum entlegensten Zipfel der Welt kaum scheitern.

Bei der G 310 GS handelt es sich im Grunde um eine Art Baby-GS: klein, leicht und verhältnismäßig schwach motorisiert. Erstaunlicherweise stellt sich auf der zweitägigen Tour von Barcelona durch die Pyrenäen nach Andorra und zurück dennoch echtes GS-Feeling ein: „Egal wohin – Hauptsache unterwegs sein!“ Und zwar je kurvenreicher, umso lieber.

Es sind denn auch nicht die einzelnen Komponenten dieses Motorrads, ­also Motor, Fahrwerk, Bremsen oder Ergonomie, welche die G 310 GS so gelungen erscheinen lassen, sondern deren geglückte Abstimmung. Der ebenso drehfreudige wie laufruhige Einzylindermotor passt bestens zum handlichen, spurstabilen Fahrwerk. Die Ergonomie lässt selbst lange Fahrtage mit endlosen Kurvenorgien kurzweilig erscheinen. Ein kurzer Zug am breiten Lenker, schon nimmt die 310er die gewünschte Schräglage ein, unspektakulär, ganz ohne Widerstand.

Womit wir bei der Bereifung vom Typ Metzeler Tourance sind. Der Reifen ist eine Sonderentwicklung, extra abgestimmt auf dieses 169,5 Kilogramm leichte Motorrad. Er passt wie die legendäre Faust aufs Auge und haftet so, dass sich sehr hohe Kurventempi und gewaltige Schräglagen realisieren lassen – ohne lästigen Bodenkontakt irgendwelcher Bauteile.

Dem GS-Anspruch gerecht wird auch die Ausstattung: Der große Gepäckträger bietet reichlich Auflagefläche und gute Verzurrmöglichkeiten, die Sitzposition ist bequem, der Sitzbezug griffig. Wer will, kann zu einer höheren oder einer niedrigeren Sitzbank greifen; für einen 1,77-Meter-Durchschnittsmann ist die Serienbank perfekt.