Wie Zulieferer Magna in der Steiermark Geländewagen testet

Der Grazer Hausberg, der „Schöckl“, ist die Mutter aller Bergteststrecken, seit 1906 der erste „Alpenwagen“ von Puch über Felsen, Wurzeln, Schotter, Schlamm und Steine aus 680 Metern bis zum Gipfelkreuz auf 1445 Meter Höhe gekraxelt ist. Eine Pioniertat, die der Kfz-Mechaniker und Testpilot des Autozulieferers Magna, Günter Paar, auswendig aufsagen kann. Er vollbringt sie schließlich heute selbst, nicht selten mehrmals am Tag. Und das auf einer viel anspruchsvolleren Route.

Im Prinzip geht es einfach direkt durch den Wald bergauf – die normalen Schotterserpentinen kreuzen die Gerade alle paar Meter. Diese Auffahrt nutzt das SUV der Hüttenwirte oder des Grafen Stubenberg. Dem gehört der ganze Berg, die Teststrecke hat er an Magna verpachtet. Nur an Wochenenden und nach Einbruch der Dunkelheit bleibt die felsige Schussfahrt gut trainierten Wanderern, Gams und Wildschwein vorbehalten.

Ein Prototyp muss 323-mal hoch auf den Berg

Die „Schöckltherapie“ ist ein Schock für ungeübte Beifahrer. Denn Paar und seine vier Kollegen prügeln die Prototypen oder den dreiachsigen Geländeakrobaten Pinzgauer unbarmherzig Steigungen von bis zu 60 Prozent hoch – doppelt so steil wie der Anlauf mancher Skisprungschanze. „Eine G-Klasse verträgt sogar 100 Prozent und 54 Prozent Seitenneigung“, sagt Paar. Aber da gibt es ja am Schöckl noch Untergrund – und Abgrund: Wenn es durch Hexenkessel, Schlund oder Höllengraben geht, klafft die Tiefe direkt neben der Seitenscheibe. Und dabei windet sich der Wagen auf ein, zwei Reifen über kniehohe Felsen, tiefe Spurrillen oder Schlammlöcher.

Klar, dass hier nur ein kleiner Teil der Produktpalette aus den Grazer Werkshallen hochkommt. Der Fünfer-BMW etwa, den Magna in Graz baut, ist natürlich kein Typ für die Schöckltherapie. Und auch das vollelektrische Jaguar-SUV iPace, für das die Steirer gerade die Fertigung fit machen, wird nur die zivile Schotterpiste auf den Schöckl nehmen. Das läuft bei Magna unter „Schlechtweg“ – die 3,1 Kilometer Fels-Folter sind eine andere Liga. Aber auf der testet Magna ständig. Denn der Konzern entwickelt Allradantriebe für fast alle bedeutenden Fahrzeughersteller der Welt. Und die deutsche Ikone Mercedes G-Klasse wird sogar seit 1979 schon in den Hallen von Magna komplett für die Stuttgarter gebaut.

Was bei der G-Klasse auch heute noch mechanisch geschaltet wird, erledigen in den meisten neuen Kraxel-Künstlern Rechner. Sie schalten elek­tronisch Sperren dazu, entkoppeln bei Bedarf auch mal die zweite Achse zum Segeln oder wechseln die Kriechgänge für den harten Anstieg.

Weil die Grazer aber auch ganze Fahrzeuge entwickeln, Antriebstechnik und Getriebe, geht es für Paar nicht einfach nur die Brutal-Kilometer am Schöckl rauf und runter. Der Fahrer hat alle drei Prototypen-Führerscheine, auch die höchste Qualifikation für die Rennstrecke. Dort jagt er im ganz normalen Test-Wahnsinn auch schon mal 15.000 Kilometer mit Höchstgeschwindigkeit über den Asphalt. Bei den Geländewagen kommen dann noch 4000 Schlechtwege-Martern dazu – und je nach Leistungskraft der Schöckl. 2000 Kilometer muss ein Prototyp dort überstehen, also 323-mal rauf und runter.

Die Abfahrt ist ein Höllenritt durch Hohlwege, über Felsvorsprünge, vorbei an Baumriesen und steilen Abgründen. Paar bringt nichts aus der Ruhe, sein Beifahrer krampft die Finger um den massiven Haltegriff am Armaturenbrett, bemüht, nicht an die Frontscheibe zu klatschen. Am Fuß der Berge wartet dann das Kontrastprogramm: Testauswertung. Denn mit der harten Tour sollen ja die Haltbarkeiten von Getriebe, Stoßdämpfern oder Motoren geprüft werden – und natürlich der gesamten Karosse. Abends werden über den Datenstecker Millionen Messwerte in Paars Laptop importiert und ausgewertet. Anders als auf einer Rennstrecke nimmt Paar nämlich die Datencomputer nicht auf den Schöckl mit. Die Stöße würden die Rechner wohl nicht unbeschadet überstehen.