Wenn einer eine Reise tut, kann er nicht nur was erleben, sondern sich auch Gedanken machen – zum Beispiel über Autokennzeichen. Einmal quer durch die Republik zu fahren heißt auch, sich der Endlichkeit der eigenen Kenntnis der mobilen Lokalgeografie zu stellen. Sind im hohen Norden PI und Co. ständige Begleiter, steht man im tiefen Süden durchaus tatsächlich neben CO im Stau. Und in der Mitte bekommt man sein ABI mit dem Erwerb des Führerscheins.

Im gesamten Bundesgebiet gibt es aber neben den Offensichtlichkeiten HH, B, K und M immer wieder auch die echten Rätsel wie WÜM, MSE oder IGB. Ich hatte mir zwecks Gesamtlösung Anfang der 90er-Jahre eine mir seinerzeit ziemlich einleuchtend erscheinende Theorie zurechtgelegt: Die Wiedervereinigung lag noch nicht lang zurück, in meiner Umgebung gab es nur Kennzeichen mit einem oder zwei Buchstaben. Meine Schlussfolgerung war, dass alle Kennzeichen mit drei Buchstaben aus den damals noch neuen Ländern stammen mussten – schließlich hatten die ja nicht mal Bananen da drüben, wahrscheinlich also auch keine Kennzeichen.

Ich bin dann 1998 zum Studieren in die Nordwestecke des Landes gezogen, was mich dazu zwang, meine Hypothese geringfügig zu überarbeiten. Schließlich liegen Wilhelmshaven (WHV), Leer (LER) und Westerstede (WST) – um nur einige Beispiele zu nennen – definitiv nicht im Osten.

Wenn mich heutzutage eines der Kinder meiner Freundin nach einem ihm unbekannten Kennzeichen fragt, antworte ich gleich „KE-IN-E AH-NU-N-G, FR-A-G GÖ-OG-L-E“ – anstatt wieder merkwürdige Theorien aufzustellen.