Tests mit einem Prototyp im Stadtverkehr zeigen noch ungelöste Probleme

Der Londoner Innenstadtverkehr an einem Wochentag um 10.14 Uhr ist ein Alptraum; viel Stop, wenig Go. Und mittendrin: eine Oase der Entspannung für Tetsuya Iijima und seine Mitfahrer. Der Entwicklungschef für autonomes Fahren bei Nissan sitzt am Steuer eines Elektroautos Leaf – und macht nichts. Das Lenkrad rührt er nicht an, auch Bremse und Gas nicht.

In diesem Leaf hat sein Team fast alles verbaut, was die Japaner derzeit parat haben, um autonom auch durch das schlimmste Innenstadtgewusel zu kurven: zwölf Kameras, die rund um das Auto und bis in weite Ferne voraus den Überblick behalten, fünf Radarsysteme, die den mittleren Abstand im Blick behalten, diverse Laserscanner, die auf den Millimeter genau die nähere Umgebung überwachen – und das verbunden mit einer Karte der Umgebung, die im Auto gespeichert ist.

Das Ziel ist, besser und sicherer als der menschliche Fahrer zu sein. Auf dem virtuellen Cockpit sieht der Mensch hinter dem Lenkrad Hindernisse und Verkehrszeichen exakt durch farbige Symbole eingeblendet – und auch die Gefahren, die von Autos, Fußgängern oder den allgegenwärtigen Fahrradboten in Londons City ausgehen. Der Leaf fährt dabei äußerst vorausschauend, sehr sanft und immer auf der Spur und Strecke, die der Computer als die schnellste und stromsparendste errechnet hat.

Doch ab und an muss der Mensch eingreifen. Wenn das Unvorhersehbare geschieht. Vollsperrungen einer Straße etwa, die den Wechsel auf die Gegenfahrbahn erfordern – oder ein Unfall voraus, bei dem ein Polizist zum Ausweichen auffordert. Ali Mortazavi, der Manager von Nissans Autonomic Drive Programms, entwickelt unter anderem die Lösungen für das Unerwartete.

Und hier bringt er den Kollegen Sam ins Spiel. Das ist eine Abkürzung für „Seamless Autonomous Mobility“. Wenn der Computer nicht mehr weiterweiß, kann Sam eingreifen: Erkennt die Kamera auf dem Dach etwa den Polizisten, der mit einer Handbewegung zum Wechsel auf die Gegenspur auffordert, dann schaltet sich blitzschnell ein menschlicher Helfer in der Datenzentrale ein, der die Geste kennt und das Auto fernlenken kann. Der Passagier im Fahrzeug muss dazu nichts machen. „Die Technik und das System für die Datenübertragung und Fernwartung haben wir von der Nasa“, so Mortazavi. Die US-Weltraumbehörde nutzt diese Lösung schon lange, um etwa Fahrzeuge auf dem Mond von der Erde aus fernzusteuern. Mortazavi weiß genau, wo die Grenzen jedes Autokonzerns beim Weg zum vollautonomen Fahren sind: „Wenn die unerwartete, unprogrammierbare Situation etwa in einem Tunnel ohne Mobilfunknetz passiert, dann kann auch Sam nicht helfen.“ Das bedeutet: Auch in weiterer Zukunft wird ein Auto ohne Lenkrad und Pedale nicht überall fahren können.

Der automatisierte Assistent für die Autobahn kommt in den kommenden Monaten für den Qashqai und den nächsten Leaf, ab 2018 kann er dort auch die Fahrbahnen alleine wechseln. Und 2020 wird ein Kreuzungsassistent nachgereicht. Der kann an diesen Stellen das Kommando übernehmen. Und absolut autonom unterwegs wie im Leaf-Prototyp, wann kommt das? „202-X“ heißt dafür die zeitliche Ziellinie.