Autos von morgen werden aufgrund ihrer Technik ihr Design komplett verändern

Warum sollten die siebenjährigen Zwillinge eigentlich nicht ganz vorn im Auto sitzen? Da können sie doch viel besser sehen, wie es Richtung Urlaub geht. Eine schwachsinnige Frage? Nicht, wenn es nach Michael Mauer geht. Im Gegenteil: Der Konzern-Designchef von Volkswagen spornt sogar seine kreativsten Querdenker an, auf derartige Herzenswünsche der kleinsten Kunden und ihrer Eltern Antworten zu finden. „Ich gehe sogar noch weiter: Wenn die Zwillinge immer noch vor Langeweile quengeln, dann blenden wir auf alle Außenscheiben lebensechte Unterwasserwelten ein. Oder ­Dinosaurier in freier Wildbahn. Oder Bibi Blocksberg auf dem Hexenbesen.“

Kein Problem in der gar nicht mehr so fernen Zukunft, glaubt Mauer. Seine Teams in VWs neuen Future Centern arbeiten schon an solchen Ideen für die Zeit, in der wir vollautonom, vollvernetzt und vollelektrisch fahren werden. Wenn der Gesetzgeber mitspielt, ist es dann eben nicht mehr nötig, dass ein aufmerksamer Lenker am „Fahrerarbeitsplatz“ vorn links Platz nimmt.

Auch Mercedes und BMW haben auf Messen schon Ausblicke auf ähnliche Lösungen für den Straßenverkehr von übermorgen gegeben. Irgendwie drängte sich da aber oft der Eindruck auf, es gehe um irgendwann im nächsten Jahrhundert. Mauers Mannschaft redet eher über das Ende des kommenden Jahrzehnts.

Mit Serienentwicklungen müssen sich die Mitarbeiter der in diesem Jahr geschaffenen Future Center aber nicht beschäftigen – und auch nicht mit konkreten Lösungen für die einzelnen zwölf Konzernmarken. Sie beschäf­tigen sich eher mit Wünschen in Bezug auf Luxus, Sportlichkeit, Transport oder Bequemlichkeit, die es in der Gesellschaft gibt. Dazu haben sie die Chancen im Blick, die der rasante technische Wandel beschert.

Dass Autos überall auch völlig fahrerlos unterwegs sein können, wird schon in wenigen Jahren möglich sein. Kein Mensch muss dann zwingend mehr unbedingt vorn aus dem Auto schauen. Bei einer vollautomatischen Stadtrundfahrt zum Beispiel können dann auf die Scheibe Informationen zu den Sehenswürdigkeiten, Shopping-Möglichkeiten oder Sportplätzen projiziert werden.

Steuerrad und Instrumente fahren nur bei Bedarf aus

Das Auto wird mit Ampeln, anderen Verkehrsteilnehmern, dem Internet oder Parkhäusern ständig vernetzt sein. Und damit ist der Passagier je nach Wunsch immer in Kontakt mit der Außenwelt. So, als ob er auf dem heimischen Sofa auf dem Tablet mit der Tante in Australien chattet. „Der Wohnraum daheim wird immer mehr zu unserem Leitbild für den Innenraum des Autos“, sagt auch Tomasz Bachorski, Chef des Interior Design bei Volkswagen. Darum hat sein Team etwa das Konzeptauto ID für Paris mit weißen, weichen Stoffen ausgeschlagen. Das Steuerrad fährt nur bei Bedarf vor – und nur dann sind auch die Ins-trumente zu sehen.

Wie Menschen Smartphones bedienen, wo sie sich in der Freizeit wohlfühlen, das seien die Maßstäbe. Das „System Auto“ solle Wünsche erfüllen, die dem Passagier vielleicht noch gar nicht ganz bewusst seien, so Bachorski.

Die dritte Revolution ist für das Innenraumdesign vielleicht die bedeutendste: Die Elektroautos von morgen haben keinen großen Motor mehr unter der Haube, keine Welle mehr, die sich durch die Mitte des Autos wulstet, keinen fetten Tank. Darum hat bereits der Volkswagen ID bei den Außenmaßen eines Golfs die Innenraumgröße eines derzeitigen Passats. Die Sitze im Fond lassen sich hochklappen, wie in einem Kino.

Auch der Lieferverkehr der Zukunft wird wohl ganz anders aussehen als heute, wenn kein Fahrer mehr hinter dem Steuer sitzen muss: Dann könnte die Großbäckerei einfach die Ware mit dem Stapler in den fensterlosen Transporter wuchten – und der fährt dann vollautomatisch die Filialen an. Michael Mauer: „Die Autos der Zukunft werden so vielfältig und unterschiedlich sein wie noch nie.“