Die tschechische VW-Tochter setzt auf bewährte Ideen. Der Kodiaq hat mit seinen vielen Finessen das Zeug zum Flaggschiff der Marke

Für die erste Begegnung musste man noch in die Wildnis fliegen, doch jetzt wagt sich der Kodiaq in die Stadt. Denn ein paar Wochen nach den letzten Testfahrten mit den getarnten Prototypen hat Skoda jetzt sein erstes großes SUV ganz ungetarnt gezeigt: Einen Monat vor der offiziellen Publikumspremiere auf dem Pariser Salon haben die Tschechen das Tuch von jenem Auto gezogen, mit dem sie buchstäblich neues Terrain erobern wollen. Nicht umsonst hat der Tscheche genau wie sein Taufpate aus Alaska das Zeug, seine Gattung zu dominieren, wenn er zu Preisen um etwa 25.000 Euro Anfang 2017 in den Handel kommt.

Skoda setzt sich dabei ganz geschickt zwischen die Segmente. Mit 4,70 Metern ist der Kodiaq 20 Zentimeter länger als sein Wolfsburger Vetter Tiguan und um ähnlich viel kürzer als der Touareg. Dazu bietet er als erstes Konzernmodell diesseits des überteuerten Audi Q7 auch die Option auf sieben Sitze, die (einer um 18 Zentimeter verschiebbaren Bank in der zweiten Reihe sei dank) sogar halbwegs bequem erreichbar sind. Wer statt Kinder lieber Koffer mitnimmt, hat im Skoda ebenfalls mehr Möglichkeiten, verspricht Entwicklungsvorstand Christian Strube: „Mit 720 bis 2065 Litern haben wir schließlich das größte Ladevolumen dieser Klasse.“ Und Skoda wäre nicht Skoda, wenn dieser Raum nicht pfiffig zu nutzen wäre. Es gibt einen doppelten Ladeboden, den man für den Transport schmutziger Gegenstände wenden kann. Es gibt die obligatorische Magnettaschenlampe, Klappen über jeder Nische und selbstredend eine Ablage für die Kofferraumabdeckung. Und die Heckklappe schwingt bei einem angedeuteten Fußtritt elektrisch auf und wieder zu.

Obwohl der Skoda innen einen Riese ist, wirkt der Kodiaq außen dabei nicht protzig. Mit kurzen Überhängen und einem langem Radstand von fast 2,80 Metern, mit einem vergleichsweise flachen Dach und einer schlanken Silhouette haben die Tschechen den SUV stadttauglich gemacht.

Zahm und zutraulich – das umschreibt auch am besten das Fahrverhalten des neuen Modells. Werden Geländewagen mit zunehmender Größe ­ohnehin immer gelassener, taugt dieser Bär fast schon zum Blutdrucksenker, so ruhig und entspannt trollt er sich bei der Testfahrt mit den Prototypen über die Landstraßen. Die Lenkung sanft, das Fahrwerk gutmütig und die Doppelkupplung ohne jede Hektik, genießt man deshalb allein die gute Aussicht und will gar nicht wissen, welche Kräfte dieser Kodiaq im Ernstfall mobilisiert. Dabei kann er auch anders. Mit knapp 20 Zentimeter Bodenfreiheit und Allradantrieb für die allermeisten Varianten stapft er tapfer über Stock und Stein. Und wer statt des 125 PS starken Basisbenziners oder des 150-PS-Diesels gleich oben einsteigt, der stürmt mit Spitzenmotorisierungen wie dem 180 PS starken TFSI oder dem TDI mit 190 PS immerhin bis zu 209 km/h schnell über die Autobahn. Nur von den knapp fünf Litern Normverbrauch, die Skoda für das sparsamste Modell in Aussicht stellt, muss man sich dann wohl verabschieden.

Obwohl das Auto komplett aus dem „modularen Querbaukasten“ stammt, deshalb bekannte Motoren und Getriebe nutzt und auch beim Allradantrieb mit der angehängten Haldex-Kupplung und den Assistenzsystemen von der Abstandsregelung über die Kameraüberwachung aus der Vogelperspektive bis zum Rangierhelfer für den Anhängerbetrieb keine Extrawurst gebraten bekommt, hat der Kodiaq seinen ganz eigenen Charakter. Das liegt weniger am Design, das sich außen und innen stark am aktuellen Superb orientiert, sondern vor allem am ebenso großen wie eleganten Touchscreen mit einer bei Skoda noch nie da gewesenen Fülle von Onlinefunktionen. So gibt es künftig zum Beispiel Google Earth und Google Streetview, man sieht den Verkehr in Echtzeit, kann sich Nachrichten oder Wetterberichte auf den Acht-Zoll-Schirm holen und sich von seiner Skoda-App sogar den Tag planen und die Zeit ­managen lassen.

Was ebenfalls einen großen Unterschied macht, sind die vielen kleinen Ideen. „Wer dachte, uns fällt nach dem Eiskratzer im Tankdeckel, den Regenschirmen in den Türen oder dem Cupholder für das einhändige Öffnen von Getränkeflaschen nichts neues mehr ein, dem werden wir mit dem Kodiaq einmal mehr überraschen“, sagt Entwicklungsvorstand Strube und spricht von bis zu 30 smarten Petitessen. Dazu zählen unter anderem der automatische Türkantenschutz sowie die sogenannte Schlafkopfstütze, aus der man zwei seitliche Hörner herausdrehen kann, die wie in alten Eisenbahnwagen den müden Kopf der Passagiere schützen. Und als wäre das nicht schon genug der Vorsorge, hat Strube sogar noch eine Kuscheldecke vor die Rückbank geschnallt, unter der man sich in süßere Träume stehlen soll.

Ob das bei den Kunden tatsächlich klappt, wird sich erst noch zeigen müssen. Doch beim Skoda-Management dürfte das gelingen. Denn mit reichlich Vorschusslorbeeren bedacht und für den Export in die halbe Welt vorgesehen, hat der Kodiaq das Zeug zu einem der wichtigsten Modelle in der Palette.