Auf dem Bike gibt es keine Knautschzonen oder Anschnallgurte. Doch neue Systeme wie die Stabilitätskontrolle MSC sollen Schutz bieten

Motorrad fahren ist gefährlich – vor allem bei höheren Geschwindigkeiten auf Landstraßen. Bei Unfällen auf diesen starben im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt fast drei Viertel aller tödlich verunglückten Biker. Zwar werden mehr als 40 Prozent der Unfälle durch Autofahrer verursacht. Aber manche Motorradfahrer bringen sich auch selbst in Gefahr, indem sie zu risikoreich oder zu schnell fahren und falsch überholen.

Die Hersteller rüsten inzwischen auf – mit Sicherheitstechnik. Seit diesem Januar müssen alle neu typgeprüften Motorräder mit elektronischem Antiblockiersystem (ABS) ausgestattet sein, ab Januar 2017 alle neu zugelassenen über 125 Kubikzentimeter. Eine längst überfällige Regelung, sagt Jürgen Bente vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). „ABS sollten alle ­Maschinen haben, wenn möglich eines, das Bremsen in Schräglage zulässt.“ ABS verhindert das Blockieren der Räder und vereinfacht das Bremsen. Das Bike bleibt beim Bremsen lenkbar und in der Spur. So kann ein Sturz oft verhindert werden. Selbst ungeübte Fahrer trauen sich, die volle Bremsleistung abzurufen, ohne Angst vor einem Reifenblockierer haben zu müssen.

Neben dem ABS hilft eine integrierte Traktionskontrolle oder eine zusätzliche Stabilitätskontrolle. Droht das Hinterrad durchzudrehen, drosselt die Motorelektronik die Leistung und das Motorrad stabilisiert sich. Es verhindert damit das Wegrutschen in Kurven, das Abheben des Hinterrads (Stoppie) und ein Aufsteigen des Vorderrads (Wheelie) beim Beschleunigen. Bei regelbaren Traktionskontrollen kann der Fahrer das Eingriffsniveau bestimmen. Bei der BMW R 800 GS kostet die automatische Stabilitätskontrolle 320 Euro extra. Für den Einsatz im Gelände ist sie wie das ABS abschaltbar. Beim größeren Modell R 1200 GS zählt das System zur Serienausstattung.

Sicherheit scheint ein Verkaufs­argument zu sein. Anfang des Jahres stellte BMW einen Helm mit integriertem Head-up-Display vor. Darin lassen sich Infos zur Geschwindigkeit und ­Navipfeile einblenden, sodass der ­Fahrer nicht mehr den Kopf beugen muss, um auf die Armaturen zu sehen. Der Helm soll nächstes Jahr auf den Markt kommen.

Zulieferer wie Continental und Bosch entwickeln seit Jahren Sicherheitssysteme für Zweiräder, Bosch unter anderem unterschiedliche ABS-Module und Stabilitätskontrollen. Die Motorradstabilitätskontrolle (MSC) unterstützt den Fahrer in allen Fahrsituationen wie in Schräglagen bei Kurvenfahrt, beim Bremsen und Beschleunigen. Außerdem bietet der Zulieferer einen Totwinkel-Assistenten an, der mit vier Ultraschallumfeldsensoren die Umgebung beobachtet und dem Biker beim sicheren Spurwechsel hilft. Auch Schaltassistenten wie bei Ducati oder Doppelkupplungsgetriebe von Honda sollen die Arbeit erleichtern.

Ducati verkauft das Geländemotorrad Multistrada D-Air (19.490 Euro) mit einer integrierten Airbag-Jacke von Dainese. Der italienische Hersteller bietet seine Westen (750 Euro) und Jacken (1500 Euro) mit integriertem Airbag auch einzeln an. Zwei Luftsäcke schützen Oberkörper, Rücken, Brustkorb, Schlüsselbein und den Hals. Die Auslöseeinheit wird über Funk gesteuert.

Zukünftig sollen Motorräder und Autofahrer schon vor einem Zusammenstoß gewarnt werden. Durch die ­sogenannte Vehicle-to-x-Kommunikation, also das Weitergeben von Fahrzeugdaten untereinander, ließen sich künftig mehr Unfälle vermeiden. „Das Auto wird dann automatisch auf ein heran­nahendes Motorrad aufmerksam gemacht – lange bevor der Autofahrer es überhaupt sieht“, sagt Bente.

Unfallforscher Siegfried Bockmann vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat ­errechnet, dass neue Assistenzsysteme für Kreuzung- und Querverkehr, Linksabbiegen, Kurven- und Höchst­geschwindigkeiten bis zu 90 Prozent der Unfälle positiv beeinflussen können. Theoretisch – denn ob und wann die Technik eingesetzt wird, ist fraglich. Motorräder verkaufen sich im Vergleich zu Autos deutlich weniger. „Geringe Stückzahlen rentieren sich aber für manche Systeme nicht“, sagt Brockmann. Er hofft darauf, dass es bei den Sicherheitssystemen Überlaufeffekte vom Auto geben wird – ähnlich wie beim ABS oder der Traktionskontrolle.

Brockmann sieht eine Kommunikation unter Fahrzeugen allerdings nicht in den nächsten 15 Jahren: „Damit das funktioniert, müssen fünf bis zehn Prozent der Fahrzeuge damit ausgestattet sein.“ Bei Motorrädern mit einem Durchschnittsalter von 15,7 Jahren wird das dauern. Bis dahin zählt vor allem eines: die persönliche Schutzausrüstung mit Helm und Schutzkleidung. Und eine angemessene Fahrweise. „Jeder Motorradfahrer sollte mit Verstand fahren“, sagt Bente. Das heißt: vorausschauend fahren und für andere mitdenken.