In Deutschland war der Pritschenwagen bisher ein Nischenprodukt. Aber immer mehr Hersteller liefern neue Modelle.

Er gilt als das amerikanischste aller Autos. Für seine Fahrer ist er der legitime Erbe des Planwagens, mit denen die Ahnen das Land besiedelt haben: Keine andere Fahrzeuggattung rührt so sehr an der US-Volksseele wie der Pick-up. Es ist dann also kein Wunder, dass auf dem größten Fahrzeugmarkt der Welt mehr als jeder zehnte Pkw eine Pritsche hat. Die mittelgroßen Pick-ups wie Ford Ranger, Toyota Hilux, Mitsubishi L200 oder VW Amarok sind hier anders als in Asien oder Südamerika bisher eher selten anzutreffen. Sie gelten als zu groß, zu unhandlich, zu unkommod und zu durstig.

Doch langsam schwappt die Pick-up-Mode auch nach Deutschland. „Das Segment hat bisher zwar nur einen Marktanteil von weniger als einem Prozent“, sagt Mitsubishi-Vertriebschef Jens Schulz. „Aber die Zahl der Wettbewerber, die um diesen kleinen Kuchen ringen, wird immer größer.“

Einer der Neueinsteiger ist Mercedes. An der Nahtstelle zwischen den Geländewagen aus der Pkw-Division und den Kastenwagen der Transportfraktion wollen die Schwaben bis zum Ende des Jahrzehnts ihren ersten eigenen Pritschenwagen anbieten, stellt Spartenchef Volker Mornhinweg in Aussicht.

Technik der Pritschenwagen ist robust und preisgünstig

In der Reihe der Newcomer sind die Stuttgarter damit nicht alleine: Auch Renault plant schon für das nächste Jahr einen ersten Kleinlaster mit offener Ladefläche und hat mit dem Alaskan bereits eine entsprechende Designstudie gezeigt, sagt Pressesprecher Thomas May-Englert. Und als dritter im Bunde hat Fiat in Turin für das kommende Jahr ebenfalls einen neuen Pick-up mit rund einer Tonne Nutzlast angekündigt.

Dass sich die drei Hersteller vergleichsweise leichttun mit dem Schritt in ein neues Segment, hat zwei Gründe: Die Technik der Pritschenwagen mit Leiterrahmen, zuschaltbarem Allradantrieb und drehmomentstarken Dieselmotoren ist ebenso robust wie preisgünstig. „Und vor allem setzen alle Neueinsteiger auf Kooperationen mit etablierten Anbietern und müssen deshalb nicht mehr bei null anfangen“, sagt Jonas Wagner vom Strategie­berater Berylls. Der Fiat wird deshalb ein neu eingekleideter Mitsubishi L200. , verrät Vertriebsmann Schulz. Renault und Daimler bedienen sich ­jeweils beim Allianzpartner Nissan und dessen Navara.

Der Mitsubishi L200 ist sparsamer und komfortabler als sein Vorgänger
Der Mitsubishi L200 ist sparsamer und komfortabler als sein Vorgänger © dpa-tmn | Mitsubishi

Sowohl der Nissan als auch der Mitsubishi wurden gerade komplett überholt und stehen in einer neuen Generation am Start. Den Navara gibt es dabei zum ersten Mal mit vielen Assistenzsystemen, die aus den zivilen Geländewagen bekannt sind, und einem neuen Dieselmotor, der aus 2,3 Litern Hubraum 140 kW/190 PS schöpft und rund ein Viertel weniger verbraucht als früher. Und für den bis zu 133 kW/181 PS starken L200 reklamiert Mitsubishi vor allem einen Verbrauchsvorteil von bis zu 1,1 Litern, mehr Raffinesse und mehr Komfort in der Kabine.

Pick-ups sind für Autobauer der Türoffner zu einem neuen Markt

Neben diesem Duo gibt es in Deutschland bislang noch vier weitere Pick-ups, von denen einige ebenfalls frisch überarbeitet wurden. Der Toyota Hilux startet nach zehn Jahren gerade in die achte Generation und kommt Anfang 2016 mit einem deutlich kantigeren Design, einer komfortableren Kabine und einem sparsameren Vierzylinderdiesel mit 130 kW/177 PS. Ford gönnt dem Ranger zumindest ein ­Facelift, und VW plant laut Pressesprecher Jens Bobsien schon bald ein Update für den Amarok. Als einziger Pick-up dieses Formats wird er nicht nur in Deutschland verkauft, sondern auch hier produziert. Nur der Isuzu D-Max läuft unbeeindruckt von den neuen Konkurrenten erst einmal unverändert weiter. Kein Wunder: Als weltweit drittmeist verkauftes Modell in seinem Segment muss der kraftvolle Japaner den Wettbewerb offenbar nicht fürchten.

Zahlreiche neue Modelle also für Handel, Handwerk und Gewerbe oder für Freizeitcowboys. Getrieben wird diese Entwicklung weniger von den mäßigen Wachstumsprognosen im entwickelten Europa als von den rosigen Aussichten im Rest der Welt, sagt Berylls-Experte Wagner. „Die Pick-ups fahren in einem Segment, das vor allem in den sogenannten Emerging Markets Asiens, Südamerikas und Afrikas boomt und sind für die Hersteller ­damit ein wichtiger Türöffner.“

Doch mit der Anzahl der Modelle wird naturgemäß auch der Markt in Deutschland wachsen, hofft Mitsubishi-Vertriebsleiter Jens Schulz. Dabei könnte den Anbietern sogar die Psychologie zu Hilfe kommen, glaubt ­Markenwissenschaftler Paolo Tumminelli von der International School of Design in Köln. Die zunehmende Verweichlichung der konventionellen ­Geländewagen beschert Ranger & Co. Zulauf, sagt er: „Wenn alle Barbies einen süßen SUV fahren, dann will Big Jim das kernige Auto mit kräftigem Sixpack zurück.“