In Gifhorn werden Leitungen und Kabel auf Bissfestigkeit getestet. Einige Mitarbeiter sind nachtaktiv und scheu – typisch Steinmarder

Holzbalken, ein Wagenrad, im Hintergrund ein ausgedienter Kleinwagen mit offener Motorhaube – das Labor ist eingerichtet wie eine alte Scheune. Erst ist niemand zu sehen an diesem Wintermorgen, aber hier im niedersächsischen Hankensbüttel (Landkreis Gifhorn) arbeiten John, Kate und William für die Automobilindustrie. Sie sollen herausfinden, wie man die Wagen vor den von Besitzern gefürchteten Marderschäden bewahren kann. Nach einer Weile schaut nur William kurz von einem Holzbrett unter dem Dach hervor.William ist ausgesprochen scheu – und wie Kate und John ein Steinmarder.

Kate und William seien nach dem Thronfolger-Paar aus dem britischen Königshaus benannt, sagt Hans-Heinrich Krüger, zuständig für die Tierforschung im Otter-Zentrum. Johns Namensgeber ist John Steed, der Held aus „Mit Schirm, Charme und Melone“. Der nach seiner Partnerin Emma Peel beannte Marder ist leider schon tot.

„Wir arbeiten für fast alle großen Hersteller, vor allem über die Zulieferer", sagt Krüger. „Wir testen Schläuche und Kabel auf Mardersicherheit.“ Vorn an der großen Scheibe sind in Schlaufen schwarze und orangefarbene Leitungen befestigt, manche haben eine glatte Oberfläche, andere sind gewellt. Einige sind unberührt, andere durchgebissen. „Es dauert drei, vier Tage dann knabbern die Marder daran.» Krüger schaut sich die Ergebnisse der Nacht zuvor an.

Seit rund zehn Jahren läuft das Projekt, neuerdings auch für Autos mit Elektroantrieb. „Da ist noch mehr Kabelage“, sagt Krüger. „Wenn da nur ein Zahn durchgeht, fällt das Auto aus. Es können mehrere Tausend Euro Schaden entstehen.“ Wegen hoher Spannungen bestehe sogar Brandgefahr.

„Seit den 1980er-Jahren treten Schäden an Autos durch Steinmarder vermehrt auf“, heißt es beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin. „Nach unseren Berechnungen verursacht der Marder an Autos jährlichen Schaden von mehr als 60 Millionen Euro“, berichtet Sprecherin Kathrin Jarosch. Mehr als 200.000 Fälle werden innerhalb von zwölf Monaten gemeldet.

„Der Motorraum ist ein warmer Unterschlupf für den Steinmarder“, sagt Krüger. „Er beißt in Kabel und Schläuche, um sich dort Platz zu schaffen, um ihn gegenüber Artgenossen zu markieren oder einfach nur im Spiel.“

„Jährlich werden uns rund 16.000 durch Marder verursachte Pannenfälle gemeldet", berichtet Helmut Klein, Ingenieur beim ADAC. Besonders häufig betroffen seien Zündkabel, Kühlwasser-Schläuche, Stromleitungen sowie Manschetten an Lenkung und Antriebswellen. Klein empfiehlt mechanischen Schutz der Kabel oder eine Abschottung des Motors. „Bewährt haben sich Geräte, die wie ein Weidezaun leichte elektrische Schläge verteilen.“

„In manchen Gegenden wie Stuttgart weisen bis zu einem Drittel der im Freien geparkten Fahrzeuge Marderspuren auf", sagt Mathias Herrmann, Säugetier-Experte des Naturschutzbundes Nabu. „Das ist aber längst kein süddeutsches Problem mehr", betont er. Mittlerweile hätten sich die Steinmarder auch in den Städten des Nordens wie Hamburg ausgebreitet.

„Wegen einer neuen EU-Verordnung müssen künftig für marderabweisende Mittel Nachweise der Wirksamkeit erbracht werden“, berichtet Krüger. „Dann machen wir ein Gutachten. So helfen uns die Marder, die Anlage zu finanzieren und tragen zur Unterhaltung bei – im doppelten Sinne.“