Vorbild Smartphone: Wie sich Hersteller auf veränderte Kundenansprüche einstellen

Großer Bildschirm, Smartphone-Anbindung und Internet im Auto: In kaum einem Cockpit der jüngsten Fahrzeuggenerationen dürfen diese Merkmale fehlen, das zeigen die Hersteller auf dem Genfer Automobilsalon (bis 16. März). Ein Zukunftstrend, der nach Expertenmeinung in den kommenden Jahren noch wichtiger werden wird – und für Automobilindustrie und Autofahrer tiefgreifende Veränderungen mit sich bringt.

Vor wenigen Tagen überraschte VW-Chef Martin Winterkorn mit der Ansage, die üblichen Modellzyklen von sieben bis acht Jahren seien überholt, die Industrie müsse sich schneller auf die sich rasant verändernden Kundenbedürfnisse einstellen. Damit gemeint sind vor allem Kunden, die mehr und mehr digitalen Lifestyle in ihren Autos verlangen. „Wenn Sie es gewohnt sind, Ihr Smartphone alle zwei Jahre zu wechseln, langweilt Sie möglicherweise die Multimediatechnik im Auto schneller“, beschreibt Jeff Owens, Technologie-Vorstand des Automobilzulieferers Delphi, dieses Phänomen.

In den vergangenen Jahren wurde Autoherstellern nicht selten vorgeworfen, sie hechelten der Entwicklung der Unterhaltungselektronik hinterher. Dieser Vorwurf soll künftig nicht mehr gelten. Kürzlich verkündeten beispielsweise Mercedes, Volvo und Ferrari eine Kooperation mit dem Computer- und Unterhaltungselektronikriesen Apple.

Zulieferer wie Delphi sind gefragt, wenn es um die Umsetzung im Auto geht: um höher aufgelöste und frei konfigurierbare Bildschirme, bessere Spracherkennung, Hochgeschwindigkeitsprozessoren. Ihr Können zeigen sie längst nicht mehr nur auf den Automessen. Seit einigen Jahren nimmt die Präsenz des Autos auf Unterhaltungselektronik-Messen wie der Consumer Electric Show in Las Vegas oder dem Mobile World Congress in Barcelona zu, wo Audi zum Beispiel in diesem Jahr das neue Cockpit des TT vorstellte. „Das Auto wird in der Unterhaltungselektronik-Branche einen immer wichtigeren Platz einnehmen“, so Owens.

In seinem Plädoyer für schnellere Anpassung der Autoindustrie an Kundenwünsche stellte Martin Winterkorn auch in Aussicht, dass der Autofahrer künftig Teile des Facelifts selbst per Software-Update in der heimischen Garage erledigen könnte. Ein Szenario, das der Delphi-CTO für durchaus wahrscheinlich hält: „In Zukunft, wenn der Kunde neue Funktionen haben möchte, macht er ein Softwareupdate – und bekommt im Cockpit fast ein neues Auto.“

Die Voraussetzungen hierfür müssen allerdings von Anfang an im Auto angelegt sein – das kostet Geld und führt zu einem Dilemma: Wie zukunftsfähig mache ich das Auto? Wenn sich das Fahrzeug updaten lässt, warum soll der Kunde ein neues kaufen? „Die Automobilhersteller knobeln das gerade aus. Ein Hersteller, der das berücksichtigt, kann die junge Generation erreichen.“ Eines dürfe man aber nicht vergessen, betont Owens: Das Cockpit könne man zwar relativ einfach updaten. Motor oder Handling zu aktualisieren sei nicht so einfach, dafür müsse der Kunde auch in Zukunft ein neues Auto kaufen.

Bei aller Berücksichtigung der Kundenwünsche nach mehr Konnektivität bleibt jedoch die Frage nach der Sicherheit. Schließlich ist der wichtigste Aspekt für die Nutzung eines Fahrzeugs die Fortbewegung, bei der der Fahrer nicht abgelenkt werden sollte. Zwei Punkte sollen dagegen wirken: Zum einen die immer bessere Bedienung, beispielsweise über Sprachsteuerung, intuitiv bedienbare große Bildschirme mit geringer Menütiefe oder Head-up-Displays, sodass der Fahrer die Augen kaum von der Straße nehmen muss.

Zum anderen eine verbesserte aktive Sicherheit. „Studien bestätigen, dass wir ständig von vielen Dingen abgelenkt werden“, sagt Owens. „Ein Auto mit Sicherheitssystemen ist aber niemals abgelenkt.“ Als letzte Möglichkeit könnte das Auto in Zukunft auch Funktionen abschalten. „Mit aktiven Sicherheitssystemen kennt es seine Umgebung“, sagt Owens. Es erkenne, ob dichter Verkehr ist und die Temperatur im Minus. „Dann könnte das System Funktionen blockieren oder nur per Spracherkennung zulassen, bis sich Fahrer und Auto wieder in einer sicheren Verkehrssituation befinden.“ Eine Bevormundung, die sich Autofahrer künftig wohl gefallen lassen müssen.