Die V-Klasse soll ab Mai nicht nur dem Namen nach der „Mercedes unter den Vans” werden, sondern auch Transporter-König VW angreifen.

Bislang war es ein Kampf auf aussichtslosem Posten. Gegen den VW Bus war weder in der Firmenflotte noch an der Familienfront ein Blumentopf zu gewinnen. Selbst die erfolgsverwöhnte Edelmarke Mercedes musste sich für Viano und Vito mit einer schmucklosen Nebenrolle zufriedengeben. Doch damit wollen sich die Schwaben nicht länger abfinden. Wenn im Mai der Nachfolger des Viano an den Start geht, schicken sie ihren Raumkreuzer deshalb vollends auf Kollisionskurs und wollen dem Helden aus Hannover endlich an den Karren fahren. „Das ist der Mercedes unter den Vans“, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche, und weil Raum der wahre Luxus ist, sei es der luxuriöseste Pkw in der Mercedes-Flotte.

Baut man die Sitze aus, kommt man auf Rekordwerte von 4200 bis 5010 Liter

Für den Run auf den Rivalen aus dem Norden setzen die Schwaben auf neues Design und nobles Ambiente. Von der Pkw-Mannschaft entwickelt und in vielen Details identisch mit der neuen C-Klasse, bekommt der geräumigste Luxusliner der Stuttgarter deshalb ein besonders weich geschwungenes Cockpit mit viel blankem Holz, reichlich Leder sowie ein paar Leckerbissen für Lifestyle und Luxus: So prangt über dem Armaturenbrett ein frei stehender Bildschirm, und weiter unten gibt es einen Hightech-Joystick für die Navigation, der sich mit den Fingerspitzen genauso feinfühlig bedienen lässt wie ein iPhone und die Handschrift des Fahrers lesen kann.

Dazu gibt es eine Technologie-Offensive, die bei Mercedes-Nutzfahrzeugen ohne Beispiel ist: Nahezu das gesamte Paket an Assistenzsystemen aus E- oder C-Klasse wird künftig auch im Viano-Nachfolger angeboten – von der 360-Grad-Kamera über den Einpark-Roboter und die Verkehrszeichen-Erkennung bis hin zum Müdigkeitswarner, dem Auffahrschutz und der Spurführungshilfe.

Doch so sehr sich die Van-Sparte an der Auto-Abteilung orientiert hat, bleiben die praktischen Tugenden des neuen Lastenträgers nicht auf der Strecke. Denn wie eh und je hat die in drei Längen von 4,90 bis 5,37 Metern lieferbare V-Klasse eine variable Sitzlandschaft mit bis zu acht Plätzen und Bänken oder Sesseln, die flexibel in Schienen versetzt werden können und mit ihrem halben Zentner deutlich leichter sind als die Möbel bei VW. Ganz neu ist dagegen die clevere Kehrseite: Weil die Heckklappe nicht nur schwer ist, sondern auch ziemlich groß und deshalb selbst die längste Parklücke beim Aufschwingen verdammt kurz werden kann, haben sich die Entwickler ausgerechnet vom kleinsten Mercedes inspirieren lassen und wie beim Smart eine separat zu öffnende Heckscheibe eingebaut. Die klappt ganz einfach und ohne großen Platzbedarf nach oben und gibt den Blick frei auf ein weiteres Detail: den doppelten Ladeboden. Das ist nicht nur ein Raumteiler und Blickfang, sondern ein stabiles Regalbrett mit eingebauten Klappboxen, das die Kleinteilelogistik beim Shoppen und Reisen deutlich erleichtern kann. Und wer großes Material stauen will, der hat schon bei voller Bestuhlung zwischen 510 und 1110 Liter Kofferraum. Baut man die Sitze aus, kommt man auf Rekordwerte von 4200 bis 5010 Liter.

Während sie bei Ausstattung und Ambiente ordentlich aufgerüstet haben, starten die Schwaben unter der Haube mit einem großen Abrüstungsprogramm und werfen die V6-Motoren kurzerhand über Bord. Stattdessen gibt es nur noch einen Vierzylinder-Diesel mit 2,1 Litern Hubraum, den man aus der Pkw-Welt von A- bis S-Klasse kennt. In der V-Klasse fährt er als V 200 CDI mit 136 PS, im V 220 CDI mit 163 PS und im V 250 CDI mit 190 PS. Und weil die Entwickler vom cw-Wert übers Energie-Management bis zu innermotorischen Maßnahmen alle Register gezogen haben, ist das Modell bis zu 28 Prozent sparsamer und kommt so auf einen Verbrauch von bestenfalls 5,7 Litern.

Keine Spaßbremse, aber auch nicht billig: Preise ab rund 40.000 Euro

Deshalb sei die V-Klasse aber keine Spaßbremse, verspricht Van-Chef Volker Mornhinweg. Im Gegenteil: Genau wie in der C-Klasse gibt es einen Agility-Control-Schalter, der das verbesserte Fahrwerk, die Lenkung und die Motorsteuerung auf Knopfdruck nachschärft. Und der stärkste Diesel erreicht Fahrleistungen wie früher der V6-Motor, spätestens wenn man in den Sportmodus wechselt und beim Kickdown kurzfristig die Leistung um 14 auf 204 PS und das maximale Drehmoment um 40 auf 480 Nm anhebt. Dann sprintet der Raumkreuzer in 9,1 Sekunden auf 100 und schafft bei Vollgas 206 km/h.

Was am Ende aber wirklich zählt im Rennen mit VW, ist der Preis, der gegenüber dem Viano leicht klettert und zunächst bei 42.900 Euro für die Einstiegsversion in der mittleren Aufbaulänge beginnt. Zwar wird er im Lauf des Jahres mit der kurzen Variante noch auf etwa 40.000 Euro fallen, und wenn man die Ausstattung mit einkalkuliert, besteht sie jeden Konkurrenz-Vergleich, rechnen die Produktstrategen vor. Doch auf dem Papier ist die V-Klasse teurer als der Wettbewerber aus dem Norden – und so auch in dieser Disziplin ein echter Mercedes.