Befürchtete Flut von VW Golf II und Mercedes 190 mit H-Kennzeichen bleibt aus. Pauschalsteuer rechnet sich nicht.

Überall heben sich derzeit mahnende Zeigefinger: Hilfe, die Youngtimer fluten uns! Invasionen gammeliger Golf II und Mercedes 190 drohen auf uns zuzurollen, Schrott mit H-Kennzeichen. Die Statistiken schienen das zu stützen: Seit Langem wächst die Anzahl der Autos mit H-Kennzeichen jährlich um rund zehn Prozent. Youngtimer-Schwemme, na klar.

Doch das ist ein Trugschluss. Ralf Ziegler, einer der Vorstände der Initiative Kulturgut Mobilität, hat sich die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes genau angeschaut: Zuwächse gibt es. Doch sie finden hauptsächlich in den Altersgruppen Ü40 statt. Um es in Prozent auszudrücken: Die Zahl der 40- bis 50-jährigen H-Kennzeichen-Klassiker stieg in den vergangenen beiden Jahren um beinahe 40 Prozent. Ähnlich zugelegt haben die 50- bis 60-Jährigen. Die über 60-Jährigen (bis Baujahr 1952) zeigen gar ein Plus von fast 50 Prozent. Ausgerechnet die Jungen bewegen sich kaum: Die Gruppe der zwischen 1973 und 1982 gebauten Klassiker stieg nur um bescheidene 4,5 Prozent.

Damit ist klar: Unsere Oldtimer werden immer älter. Eine Youngtimer-Flut gibt es nicht, es rücken gerade genug Jungklassiker nach, um den Abfluss in die nächste Altersgruppe wieder auszugleichen. Dazu zeigt ein Blick auf ältere Zahlen, dass diese Entwicklung schon seit sechs Jahren ungebrochen ist. Das Kraftfahrt-Bundesamt schlüsselt seine Statistiken nicht detailliert genug auf, um exakte Analysen abzuleiten. Doch ein Grund liegt auf der Hand: Das Angebot an gut erhaltenen Anwärtern auf das H-Kennzeichen ist nicht üppig – vor 30 Jahren populäre Modelle, ein Peugeot 205, Ford Sierra oder Opel Rekord beispielsweise, sind in gutem Zustand nur noch selten zu finden. Sogar der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA), der den steten Zuwachs an H-Kennzeichen-Autos grundsätzlich kritisch beobachtet, erkennt in Golf II & Co. keine Gefahr mehr: Über eine Schwemme durch Volumenfahrzeuge sorge man sich keinesfalls, versichert deren Oldtimer-Experte Stefan Röhrig. Es ist sogar zu vermuten , dass der Trend zum H-Kennzeichen bald einen spürbaren Dämpfer erhält. Auslöser ist die G-Kat-Generation: Ab Mitte der 1980er wurde der geregelte Katalysator Standard, und für viele Oldtimer-Anwärter mit Benzinmotor ist eine normale Zulassung steuerlich günstiger als ein H-Kennzeichen mit seiner Pauschalsteuer von 191 Euro.