Heute Abend enthüllt Mercedes bei Airbus in Hamburg sein neues Top-Modell – wie es aussieht, verrät ein Prospekt, der bereits online kursiert.

Wenn sich heute Abend die automobile Weltpresse in Hamburg versammelt, um einen ersten Blick auf die neue S-Klasse zu werfen, dürfte die Überraschung bei einigen Teilnehmern nicht mehr ganz so groß sein wie noch vor wenigen Tagen gedacht. Denn trotz der Geheimhaltungsbemühungen des Herstellers hat es mal wieder ein Werksprospekt vorab ins Internet geschafft, und die Bilder darin (siehe rechts) zeigen deutlich, wie das Flaggschiff aus Stuttgart künftig aussieht. Da fällt es kaum noch ins Gewicht, dass Konkurrent BMW ein kleines Störmanöver versuchte, indem man aus München erste Fotos einer 7er-Coupé-Studie just für den heutigen Mittwoch freigab. Darauf allerdings ist so wenig zu sehen, dass sich ein Abdruck an dieser Stelle nicht lohnt. Dieses gemeinsam mit Pininfarina entworfene Gran Lusso Coupé soll in knapp zwei Wochen beim Concorso d’Eleganza am Comer See enthüllt werden, eine Serienfertigung steht noch in den Sternen.

Natürlich sind die paar Indiskretionen und die Aussicht auf eine noch elegantere, noch luxuriösere und noch teurere Variante des wichtigsten Konkurrenten ein paar Nadelstiche, die zur rechten Zeit die richtige Stelle treffen. Doch wenn sich Mercedes bei einem Auto ein dickes Fell erlauben kann, dann bei der S-Klasse. Sie ist für die Schwaben traditionell nicht weniger als „das beste Auto der Welt“ und will diesem Ruf auch in der neuen Generation natürlich wieder gerecht werden.

Welche Technik die neue S-Klasse besitzt, ist bis heute Abend offiziell noch geheim – selbst wenn es nicht viel Kunst braucht, um auf Benziner mit sechs, acht und zwölf Zylindern, die V6-Diesel und den von Mercedes schon öfter angedeuteten Plug-in-Hybriden mit weniger als vier Litern Verbrauch zu kommen. Doch wie man sich im neuen Flaggschiff von Mercedes einmal fühlen wird, das konnten ausgewählte Journalisten bei einer ersten Sitzprobe bereits ausprobieren. Dabei erlebte man die S-Klasse als Spa-Klasse, die alle Insassen mit einem so noch nicht dagewesenen Wellness-Faktor umgarnt: Die kuscheligen Ledersessel simulieren mit beheizten Luftkissen, Ventilatoren und Klimatisierung auf Knopfdruck eine Hot-Stone-Massage. Der maßgeschneiderte Duftspender im Handschuhfach inszeniert mit vier speziell komponierten Parfums die persönliche Aroma-Therapie, und im Fond gibt es auf Wunsch einen Liegesessel, für den die Reise gar nicht lange genug sein kann. Wer sich lieber anregen als beruhigen lassen will, dem steht ein breites Infotainment-Angebot zur Wahl. Nicht nur die Passagiere im Fond schauen auf zwei riesige Monitore im iPad-Design. Auch der Fahrer sitzt in einer digitalen Welt: Wo früher mal die klassischen Rundinstrumente waren, prangen jetzt zwei riesige Monitore von jeweils mehr als 30 Zentimetern Diagonale, die unter ihrem Hochglanz-Deckglas und im silbernen Rahmen förmlich vor dem Armaturenbrett schweben. Darauf werden links die Instrumente simuliert und rechts die brillantesten Grafiken und Animationen angezeigt, die man im Auto bislang gesehen hat.

Dass sich bei diesem Wohlfühlprogramm überhaupt noch jemand auf die Straße konzentriert, daran haben offenbar auch die Entwickler gewisse Zweifel. Deshalb rüsten sie für die S-Klasse auch das Heer der elektronischen Schutzengel weiter auf. Dabei setzen sie vor allem auf eine neue Stereo-Kamera, die bis zu 500 Meter vorausschauen kann und der Elektronik eine Art räumliches Sehen ermöglicht. Mit ihr erkennt die S-Klasse nun im Stadtverkehr auch querende Fußgänger oder andere Autos auf Kreuzungen und steigt automatisch in die Eisen, bevor es zu einem fatalen Unfall kommt. Außerdem kann sie sich im Autobahnstau einfach an den Vordermann hängen und ihm sogar beim Spurwechsel folgen. Zwar muss man von Gesetzes wegen immer noch die Hände am Lenkrad halten, sonst schaltet der Quasi-Autopilot nach 15 Sekunden ab. Doch rückt die Vision vom autonomen Fahren damit wieder etwas näher und ist für die Entwickler kein Tabu-Thema mehr. Schließlich kann man die neue Spa-Klasse erst dann in vollen Zügen genießen – wenn da nicht die widrigen Wettbewerber mit ihren verlockenden Versprechungen wären.

Denn der Vorstoß von BMW kommt natürlich nicht von ungefähr. Die Bayern spielen offensichtlich nur deshalb mit dem Gedanken an weitere Siebener-Varianten, weil Mercedes-Chef Dieter Zetsche bereits im Vorfeld der Hamburger Premiere eine ganze S-Klasse-Familie angekündigt hatte: Dazu zählt künftig nicht mehr nur die übliche Langversion. Es wird auch mindestens eine XXL-Variante mit nochmals gestrecktem Radstand als Ersatz für den glücklosen Maybach, ein Cabrio und natürlich das Coupé im Geist des aktuellen CL geben – und genau darauf zielt BMW mit der Pininfarina-Studie ab, die aus Bayern betont vollmundig beworben wird: Von „Eleganz und Exklusivität in einer neuen Dimension“ ist da die Rede, wenn die Designer das V12-Coupé umschreiben, ohne echte Details preiszugeben. Wie ernst man das nehmen kann, wird man in zwei Wochen am Comer See sehen.

Und wie der Showdown im Smoking weitergeht, sieht man vielleicht in ein, zwei Jahren. Denn bei Mercedes steht das S-Klasse-Coupé für 2014 im Kalender. Und wenn sich die Bayern geschickt anstellen, könnten sie zum Generationswechsel des Siebeners spätestens 2015 ebenfalls so weit sein.