Bei der Konstruktion des XL1 haben die Ingenieure um jedes Gramm gerungen. Mit 795 Kilo wiegt der Wagen eine halbe Tonne weniger als ein Golf

Das Ufo ist gelandet - so zumindest fühlt man sich beim Start der ersten Testfahrt im Volkswagen XL1. Nicht nur weil das Wolfsburger Sparwunder mit seinem Plug-In-Hybrid erst einmal elektrisch und deshalb geräuschlos vom Hof fährt, sondern vor allem weil einen die anderen Autofahrer in der silbernen Flunder anstarren, als käme man tatsächlich von einem anderen Stern. Alle wollen sie jenes Auto sehen, mit dem VW-Patriarch Ferdinand Piëch jetzt nach mehr als zehn Jahren sein Versprechen wahrmacht und den Beweis antritt, dass man mit weniger als einem Liter Diesel mehr als 100 Kilometer weit fahren kann.

Mit einer diebischen Freude schaut Entwicklungsingenieur Steven Volckaert dem Fahrer über die Schulter auf den Bordcomputer: Schon 20 Kilometer sind wir unterwegs und haben noch immer keinen Tropfen Sprit verbraucht. Trotzdem schnürt der Wagen zügig durch die Stadt, ist wendig und surrt auf der Landstraße locker mit im dichten Verkehr.

Bei der flotten Landpartie, wo beide Motoren wie bei einem ganz normalen Hybriden immer mal wieder mit vereinter Kraft arbeiten, die E-Maschine beim Bremsen zwischendurch zum Generator wird und den Lithium-Ionen-Akku lädt, liegt der Momentan-Verbrauch selten bei mehr als drei Litern.

Der Mittelwert klettert auch nach über einer Stunde und mehr als 60 Kilometern nie über zwei Liter. Im Gegenteil: 1,8, 1,6 und zwischendurch sogar mal 1,4 Liter stehen auf dem Display. Der Begleiter aus der Konzernforschung lächelt zufrieden. Zwar sitzen wir nicht hintereinander wie beim ersten Prototyp von 2002, sondern leicht versetzt nebeneinander und deshalb auch auf engstem Raum überraschend geräumig. Doch ist der Pkw noch viel, viel schmaler als ein Polo. Weil er obendrein flacher ist als jeder Porsche, geht er im Straßenbild fast verloren. Damit man überhaupt hineinkommt, haben die Niedersachsen spektakuläre Flügeltüren konstruiert, die weit ins Dach ragen und einen bequemen Zustieg ermöglichen.

Zum schnittigen Design gibt es eine Leichtbau-Konstruktion, bei der um jedes Gramm gerungen wurde: Die Karosserie ist komplett aus Karbon, die Scheiben sind erstmals aus Polycarbonat gefertigt, die Schalensitze wiegen nur noch halb so viel und sind trotzdem bequem, die Innenverkleidung besteht aus federleichten Holzfasern, und selbst viele Fahrwerksteile hat VW aus Kohlefaser statt Aluminium oder Magnesium produziert. Lohn der Mühe: Mit 795 Kilo wiegt der XL1 eine halbe Tonne weniger als ein Golf.

Das alles jedoch bringt wenig, wenn der Motor zu viel Durst hat. Deshalb wurde der bis dato effizienteste Antrieb des Konzerns entwickelt: ein Diesel-Plug-In-Hybrid, der an der Steckdose tankt und mit seiner 27 PS starken E-Maschine die ersten 50 Kilometer elektrisch fahren kann - wenn es sein muss, sogar mit bis zu 120 km/h. Erst wenn der Akku zur Neige geht, schaltet sich der Zweizylinder zu, der aus mageren 0,8 Litern Hubraum immerhin 48 PS schöpft.

Der Diesel nagelt zwar laut und sitzt dem Fahrer buchstäblich im Nacken, aber im Team kommen beide Motoren so auf 69 PS, die absolut alltagstaugliche Fahrleistungen ermöglichen: So beschleunigt der Wagen in 12,7 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht solide 160 km/h. In einem VW Up ist man kaum schneller unterwegs, braucht aber mehr als doppelt so viel Sprit.

Zwar gib es noch immer keine endgültige Aussage, wie viele XL1 über die erste Kleinserie von 50 Fahrzeugen hinaus gebaut werden sollen, und zum Kaufpreis schweigen sich die Niedersachsen ebenfalls aus. Doch zumindest mit der Technik haben sie noch großes vor. "Das ist die Blaupause für den Plugin-Hybrid im modularen Querbaukasten", sagt Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg. Auch wenn die E-Maschine dort mehr Leistung hat und statt mit einem Zweizylinder-Diesel erst einmal mit einem Vierzylinder-Benziner gekoppelt ist, machen die Erfahrungen mit dem König der Knauser die Sparmodelle für die Golfklasse erst möglich: "Hier haben wir gelernt, was wir dort in der Großserie umsetzen können."

Mittlerweile dauert die Testfahrt mit dem kleinen Wolfsburger schon über zwei Stunden, und die ungewöhnliche Form ist fast vergessen. An das eigenwillige Motorengeräusch hat man sich genauso gewöhnt wie an die Lenkung ohne Servohilfe. Um nicht zu vergessen, in was für einem besonderen Auto man unterwegs ist, muss man deshalb immer mal wieder auf den Bordcomputer schauen, der sich am Ende der Tour bei 1,6 Litern eingependelt hat. Und zwar ohne, dass wir den Akku ganz leer gefahren hätten.

Mehr noch als über den Blick auf den Bordcomputer freut sich Volkswagen-Ingenieur Volckaert auf den Besuch an der Tankstelle. Was Otto-Normal-Fahrern bisweilen die Zornesröte ins Gesicht treibt, entlockt ihm kaum mehr als ein Grinsen: "500 Kilometer fahren und danach für weniger als 15 Euro volltanken - allein dafür hat sich die Arbeit am XL1 schon gelohnt."