Vor 50 Jahren konzipierte der Landmaschinenhersteller seinen ersten Sportwagen - mit dem Ziel, den Konkurrenten Ferrari zu deklassieren.

Sie gilt als goldenes Dreieck für geniale Ideen und süße Früchte, die Poebene zwischen Modena, Maranello und Sant'Agata Bolognese. Hier florieren nicht nur landwirtschaftliche Betriebe, sondern auch automobile Edelmanufakturen für Supersportwagen. Aber nur einem Mann gelang es, die Erfolge moderner Agrartechnik und automobiler Hightech zu kombinieren: Ferruccio Lamborghini erwirtschaftete mit dem Bau von Traktoren genügend Kapital, um vor 50 Jahren Urvater der ultrascharfen Straßenrenner im Zeichen des Kampfstieres zu werden.

Der Unternehmer verfolgte von Beginn an vor allem ein Ziel: die sieggewohnten Ferrari-Zwölfzylinder zu deklassieren. Seinen Boliden gab er meist Namen aus der Welt des Stierkampfs. Was 1963 mit der noch harmlos klingenden Studie Lamborghini 350 Gran Turismo Veloce begann, entwickelte sich mit Modellen wie Miura, Espada und Countach rasend schnell zum scheinbar ewigen Zweikampf Sant'Agata gegen Maranello, Ferruccio Lamborghini gegen Enzo Ferrari.

Ein Duell, das über alle wirtschaftliche Krisen der zwei Unternehmen und den Tod der beiden Patriarchen bis heute anhält und die vielleicht faszinierendsten Fahrmaschinen aller Zeiten hervorbrachte. Zumal die Dynamiker von rivalisierenden Designern in fast vollendete Formen gebracht wurden: Bertone (Lamborghini) gegen Pininfarina (Ferrari) lautete über Jahrzehnte das Duell.

Was brachte den einstigen Ferrari-Fahrer Lamborghini dazu, einen eigenen Sportwagen und das dazugehörige modernste Automobilwerk Europas zu konzipieren? Nach Ansicht vieler Italiener war es das heißblütige Temperament eines Menschenschlags aus jener Region, das den gut situierten Unternehmer zu dem Wagnis animierte, es mit allen etablierten Sportwagenmarken aufzunehmen. Lamborghini selbst betrachtete die Dinge differenzierter, wie er im Rückblick erläuterte, nachdem er seine Unternehmensanteile 1972 und 1973 bereits verkauft hatte.

In jenen Jahren hatte er auf dem Höhepunkt seines Erfolgs die versammelte Auto-Welt mit Miura (ab 1966) und Countach (ab 1971) mitten ins Herz getroffen. Jetzt aber weigerte er sich, seiner Rolle als allmächtiger Unternehmenspatron zu entsagen, die Gewerkschaften mitregieren zu lassen und die immer häufigeren Streiks hinzunehmen. Hinzu kam, dass Lamborghini aufkommende Liquiditätsprobleme offenbar frühzeitig und klar erkannte. Er wollte fortan vor allem Meriten als Winzer ernten. Ein Entschluss, den der Italiener genauso konsequent verfolgte wie den Start der Sportwagenentwicklung ein Jahrzehnt zuvor.

Damals hatte Lamborghinis Unzufriedenheit mit seinem privaten Ferrari dazu geführt, den absoluten Superlativ unter den schnellsten Autos entwickeln zu wollen. Außerdem stellte der Landmaschinenbauer 1962 fest, dass sich mit manchen Bauteilen für kostspielige Autos ein geradezu luxuriöser Gewinn erzielen ließ. So berechnete Ferrari seinen Kunden den dreifachen Preis für eine Austauschkupplung genau der Art, wie sie Lamborghini in seine Traktoren einbaute. Jetzt ging alles ganz schnell. Er gab die Errichtung des damals modernsten Automobilwerks Europas in Auftrag und engagierte ein Entwicklungsteam ehemaliger Ferrari-Konstrukteure, darunter den Motoren-Guru Giotto Bizzarini.

Während dieser mit einem 347 PS starken V12 für den Lamborghini 350 GTV das Potenzial des Erzfeindes Ferrari 400 Superamerica übertraf, wollte Stardesigner Franco Scaglione mit den exaltierten Konturen des GTV die von Pininfarina kreierten Ferrari-Formen verblassen lassen. In der Rekordzeit von sieben Tagen schuf er ein aufsehenerregendes Karosseriekleid, das allerdings gleich zwei Kardinalfehler hatte. Lamborghini war unzufrieden mit den schwülstigen Formen, und der Motor passte nicht unter die Haube. So rollte der Prototyp direkt nach der Premiere auf dem Turiner Salon 1963 - mit Ziegelsteinen statt des V12 unter der Haube - aufs Abstellgleis. Erst der ein Jahr später vorgestellte Lamborghini 350 GT schaffte es in die Serienfertigung.

Nun folgten Gran Turismo der wildesten Sorte. Miura, Espada und Countach waren Sportwagen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte. "Die Leute sollen mit offenem Mund vor den Autos stehen bleiben", sagte Nachwuchs-Designer Marcello Gandini, dessen Projekt der 1966 vorgestellte Miura war. Ein überstarker V12-Mittelmotor-Renner, der den Gegnern nicht den Hauch einer Chance ließ. Die Schönen, Reichen und Berühmten stürmten die Salonstände und Schauräume von Lamborghini. Geld spielte keine Rolle, nur die Frage: "Wann bekomme ich das Auto?" Lamborghini wurde seinen Vorsätzen nach höchster Qualität untreu, denn Zeit für ausgiebige Testfahrten bis zur Serienreife des Miura blieb nicht. Die prominenten Kunden, darunter Jazz-Legende Miles Davis, sahen über die teils miserable Verarbeitung aber hinweg.

Während sich der Espada 1968 bemühte, als schnellster Viersitzer der europäischen Meute davon zu fahren, begeisterte der Countach schon 1971 als Studie. Ihm verdankte die Marke den Wiederaufstieg nach dem Ausstieg von Ferruccio Lamborghini.

Zwar hatte bereits Gandini kleine Geschosse wie Islero, Jarama und Urraco als Einstiegsmodelle gezeichnet, und auch Modelle wie der Jalpa oder der 200 km/h schnelle Geländegänger LM002 brachten es zu Achtungserfolgen, aber nur der Ruhm des Countach ließ Lamborghini weiter glänzen. So überstand die Marke die Ölkrise von 1973/74, den Konkurs von 1978, die Neugründung als Nuova Automobili Lamborghini (1981), die Übernahme des gebeutelten Unternehmens durch Chrysler (1987), den Weiterverkauf an asiatische Investoren (1994), die sich von der Sportwagenpretiose aus finanziellen Gründen 1998 wieder trennen mussten.

1998 wurde Audi Eigentümer, und zumindest die monetären Sorgen waren Vergangenheit. Schon der 1990 von Chrysler lancierte Diablo brachte kurzzeitig Geld in die Kasse. Wirklich gute Jahre kamen aber erst mit den Modellen Murciélago (2001) und Gallardo (2003), denen Audi auf scharfe Hufe half. Heute trägt der feurige Aventador die Flamme weiter, mit denen Lamborghini vor 50 Jahren Ferrari die ersten Brandblasen bescherte.