Mit der Corvette 427 lässt Chevrolet die aktuelle Generation auslaufen und bereitet der C7 den Boden

Was dem Italiener sein Ferrari und dem Deutschen der Porsche 911, das ist dem Amerikaner die Corvette. Denn kein anderer Sportwagen hat jenseits des Atlantiks so eine Tradition wie der heißeste Ofen aus dem General-Motors-Imperium. Kein Wunder, dass eine ganze Nation auf Drehzahl kommt, weil Chevrolet zum 60. Geburtstag des Kraftmeiers auf der Motorshow in Detroit vom 14. bis 27. Januar die siebte Generation enthüllt.

Doch auch wenn alle auf die C7 wartet, lohnt sich noch einmal der Blick auf die aktuelle Modellpalette. Nicht nur, weil es sicher Spätsommer wird, bis die ersten Autos auch nach Europa kommen, sondern weil die Amis zu einem furiosen Finale blasen und dafür die Corvette 427 lancieren. Die hat ihren Namen von den 427 cubic inches Hubraum des feuerroten V8-Motors, die sich im europäischen Zahlenraum auf imposante sieben Liter addieren. Und weil die Ingenieure diesem Koloss stolze 512 PS entlocken und das Auto nur oben ohne anbieten, wird die 427er zum stärksten Cabrio in der Corvette-Geschichte.

Das Gewicht wurde zudem mit Karbonteilen aus den Sportmodellen Z06 und ZR1 auf 1531 Kilo gedrückt. "Damit haben wir ein besseres Leistungsgewicht als der Audi R8 Spyder oder der Ferrari California", schwärmt Chefingenieur Tadge Juechter. Und das zu einem Preis, für den es die anderen Supersportwagen allenfalls als junge Gebrauchte gibt. Selbst wenn aus den 76.000 Dollar auf dem Weg über den Atlantik 100.750 Euro werden, ist die Corvette in dieser Liga ein Schnäppchen.

Wie so oft bei amerikanischen Sportwagen steht allerdings die Liebe zum Detail in einem krassen Gegensatz zur Lust an der Leistung: So besessen die Ingenieure am Motor gefeilt haben, so oft sie für die perfekte Fahrwerksabstimmung um die Nordschleife gejagt sind und so viel Karbon sie sich für den Leichtbau leisten, so lustlos wirkt das Innenleben: billiges Plastik, antiquierte Anzeigen, schlechte Sitze, ein Head-Up-Display aus den Zeiten von Raumschiff Orion und ein halbautomatisches Verdeck, das für den kurzen Weg unter die große Klappe eine halbe Ewigkeit braucht und obendrein nur im Stand bei angezogener Handbremse funktioniert - das reißen auch die auch Zierstreifen, die eingestickten Corvette-Schriftzüge und Flaggen-Logos mit dem Hinweis auf den 60. Geburtstag nicht mehr raus.

Aber all das ist vergessen, wenn man per Knopfdruck der Motor startet. Von null auf 100 benötigt das Auto 4,2 Sekunden und schafft ein Spitzentempo von 307 km/h - da drückt es einem die Augäpfel von innen gegen den Hinterkopf. Das faszinierendste an der Corvette ist jedoch ihr Klang: Laut, rau und ungehobelt macht sie einen Krawall wie Bruce Springsteen im Open-Air-Stadion - nur viel, viel lauter. Mal leise säuselnd, mal dunkel grollend, mal brüllend laut und zwischendurch mit Fehlzündungen wie Maschinengewehr-Salven - so wird die Corvette zum Rockstar unter den Rennwagen. Sie ist selbst dann minutenlang zu hören, wenn das Cabrio schon längst in den Sonnenuntergang verschwunden ist.