Vor allem Italiener wie Pininfarina und Bertone gehören zu Verlierern des Wandels, der Deutsche Peter Schreyer zählt zu Stars der Branche.

Der Spott ist den Beobachtern schon lange vergangen, jetzt hat er den Olymp erklommen: Mit dem Status des "President" ist Kia-Chefdesigner Peter Schreyer in die oberste Führungsebene der koreanischen Marke aufgestiegen. Das Design habe den Ruf der Marke verwandelt, teilte Kia zur Begründung mit. Die aktuellen Verkaufszahlen sind Referenz genug. Aus der blassen Billigmarke ist ein ernsthafter Konkurrent der etablierten Volumenmarken geworden.

Die neue Wertschätzung für den deutschen Stardesigner wertet einen ganzen Berufsstand auf. Tatsächlich wurstelten Kreativabteilungen der Autokonzerne jahrelang vor sich hin. Immer striktere Regulierungen haben die gestalterischen Freiräume beschnitten. Zum Beispiel die Vorschriften zum Fußgängerschutz, die zu wuchtigen und langen Frontpartien führten. Verschärfte Auflagen beim Seitenaufprallschutz zogen armdicke Dachsäulen nach sich.

Im Spannungsfeld mit ihren Widersachern, den Ingenieuren, zogen die Designer regelmäßig den Kürzeren, nicht zuletzt wegen umfangreicher Sparmaßnahmen. Aufwendige Zierleisten, durchgängig hochwertige Interieurs, individuell entwickelte Lösungen? Sehr häufig wurde stattdessen der Einbau von Gleichteilen durchgesetzt.

Es bahnt sich ein Kulturwandel an. Schönes Design im Automobilbau wird endlich die Bedeutung beigemessen, die es verdient. Kia ist dafür das vielleicht erstaunlichste Beispiel; mittlerweile dürfte die Mannschaft um Schreyer die einst deutlich höher angesiedelte Schwestermarke Hyundai in der Imagewertung überholt haben.

Auch in anderen Konzernen wird der Status des Designers relevanter. Der frühere Mini-Chefdesigner Gert Hildebrand spielt bei der Entwicklung und Einführung der chinesischen Marke Qoros eine herausragende Rolle, Laurens van den Acker arbeitet bei Renault an einer neuen Formensprache, und Adrian van Hooydonk lenkt das einst provozierend andersartige, plump wirkende BMW-Design in sportlich-elegante Bahnen.

Auch der furiose Aufstieg von Audi über drei Jahrzehnte hinweg ist nicht nur der technischen Brillanz zuzuschreiben, sondern in gleichem Maße der leicht unterkühlten, konsequent durchgehaltenen Formensprache. Und es ist kein Zufall, dass Schreyer sein Handwerk in Ingolstadt gelernt und von dort auch einen Teil seiner Kia-Mannschaft rekrutiert hat.

Der 60-Jährige, Ehrendoktor der Londoner Royal College of Art, hat mit der Gestaltung des Audi TT und (nach seinem Wechsel zu VW 2002) des Golf IV sowie des New Beetle eine schnörkellose Handschrift entwickelt. Diese "Simplicity of a Straight Line", die Einfachheit einer geraden Linie, wie er es nennt, machte ihn schon bei seinem ersten Gastspiel - dem 1996er-Passat, einem Wendenpunkt im VW-Design - berühmt. Nachdem er 2006 vom damaligen Chefdesigner Murat Günak vergrämt worden war, wurde sein Wechsel zu Kia noch als Abstieg gewertet.

Dass Schreyer nostalgische Gedanken an seine Zeit in Wolfsburg verschwendet, darf bezweifelt werden. Für die Machtfülle, die er heute bei Kia genießt, gibt es kaum Vorbilder: Der legendäre GM-Chefdesigner Bill Mitchell gehört dazu, wohl auch Patrick Le Quément bei Renault - jedenfalls so lange der frühere Generaldirektor Louis Schweitzer den Konzern steuerte. Unter Carlos Ghosn wurde er dann zurückgedrängt.

Und bei Mercedes-Benz ist es Gorden Wagener in mittlerweile vier Jahren nicht gelungen, eine Formensprache zu etablieren, welche die Markenwerte glaubwürdig visualisiert, geschweige denn dem Erbe eines Bruno Sacco oder Josef Gallitzendörfer gerecht würde. Unbefriedigende Verkaufszahlen der aktuellen E-Klasse werden in Stuttgart unverblümt Designmängeln zugeschrieben, der Fingerzeig auf Wageners Vorgänger Peter Pfeiffer verliert an Glaubwürdigkeit. Interne Stimmen, die einen Kurswechsel im Mercedes-Design fordern, mehren sich.

Eine starke und durchsetzungsfähige Designabteilung ist auch deshalb so wichtig, weil die Bedeutung externer Designbüros immer weiter abnimmt. Gerade die Italiener zählen zu den großen Verlierern der tektonischen Verschiebungen in der Branche. In den 70er- und 80er-Jahren hatten vor allem Bertone, Giugiaro und Pininfarina das automobile Stilempfinden der Welt dominiert. Unvergessen sind die elegant-harmonischen Entwürfe von Ferrari-Hausdesigner Pininfarina, der kühle Kubismus des Golf-Schöpfers Giugiaro und die futuristische Extravaganz des Lamborghini-Ideengebers Bertone. Die Kehrseite der oftmals hochästhetischen Entwürfe war eine gewisse Gleichförmigkeit. Irgendwann hatte die Industrie genug vom Einheitslook auf hohem Niveau - und investierte massiv in die eigenen Studios.

Pininfarina und Bertone suchten ihr Heil in der Produktion von Sonderserien und Derivaten - eine Strategie, die am Ende nicht aufging. In der Krise zogen viele Autohersteller ihre Aufträge wieder ab, die Kapazitäten liegen heute weitgehend brach. Immerhin gibt es die Studios noch - sie senden periodische Lebenszeichen aus, etwa den Pininfarina Cambiano oder den Bertone Jaguar B99. Heute legt man den Fokus auf China. Dort ist die lokale Designkompetenz noch relativ schwach ausgeprägt, der Bedarf an externer Beratung hoch. Giugiaros Firma Ital Design wiederum ist in den Volkswagen-Konzern eingegliedert worden.

Eine Reihe anderer Designbüros ist untergegangen, beispielsweise Michelotti, Schöpfer unter anderem des BMW 700. Die letzte bedeutende Studie seiner Firma war der Clas von 1986, ein Coupé auf Basis des Toyota MR2. Vignale ist bereits 1969 in der Carrozzeria Ghia aufgegangen, die 1970 an Ford ging. Unter diesem Namen wurde jahrelang nicht nur die Topausstattungen von Ford verkauft, sondern es gab ein Designbüro mit einem hohen Ausstoß eigenständiger Fahrzeugstudien. Das Studio gibt es längst nicht mehr, und 2011 wurde auch das Ghia-Label endgültig getilgt. Es gelte als "altmodisch", heißt es bei Ford. Die Spitzenmodelle hören nun auf die banale Bezeichnung Titanium. Die Carrozzeria Coggiola ist abgetaucht, und vom Entwicklungsdienstleister Stola, der früher mit Studien des Stardesigners Marcello Gandini glänzte, gab es schon lange keinen eigenständigen Entwurf mehr. Zagato wiederum baut hochexklusive Einzelstücke für eine betuchte Kundschaft und überraschte im vergangenen Jahr mit zwei Variationen des BMW Z4, die gemeinsam mit der BMW-Designabteilung auf die Räder gestellt wurden.

Derartige Kooperationen sind die große Ausnahme geworden. Sauber entwickelte, langfristig durchgehaltene Markenidentitäten lassen sich eben nur im eigenen Haus schaffen. Und man braucht sie gerade dann, wenn sich die Autos unter dem Blech aus den vielfältigen Baukästen bedienen. Es sind die Formen, die für Unterscheidbarkeit, Image und Individualität sorgen. Vielleicht ist der Paukenschlag aus Korea ein Signal auch für die anderen Hersteller: Dies muss das Jahrzehnt der Designer werden.