Eine Glosse von Frank Wald

Sind Ihnen auch schon diese vielen Fußgänger und Radfahrer mit den Kopfhörern aufgefallen - die mit den kleinen weißen Knöpfen und den großen bunten Muscheln? Und haben Sie sich auch schon gefragt, ob diese Beschallung deren Verkehrstüchtigkeit einschränkt? Wir nämlich auch nicht! Aber das Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) hat es. Und darum eine Studie erstellt, in der es die Wahrnehmung von je 20 Männern und Frauen im Durchschnittsalter von 28 Jahren, mal mit und mal ohne Musik in den Ohren, hinsichtlich deren Reaktionszeit auf Straßenverkehrsgeräusche getestet hat. Mit dem krachenden Ergebnis: Schon mit leisen Tönen im Ohr wird diese Gruppe zum Unfallrisiko im Straßenverkehr. Als die Testpersonen mit Kopfhörermusik nur in Gesprächslautstärke abgelenkt wurden, verzögerte sich deren Reaktionszeit bereits deutlich um ein Fünftel. Ja, so ist das!

Nun ist nicht bekannt, ob der 40-köpfigen Auswahlgruppe Tinnitus-Erkrankte, religiöse Fundamentalisten oder spirituell angehauchte Paranoiker angehörten. Ebenso wenig die Art der Musik, die diese auf die Ohren bekamen. Macht es doch gewiss einen Unterschied, ob Mozart in den Gehörgängen schwingt oder Metallica auf Amboss und Trommelfell hämmert. Tatsächlich räumt denn auch die Studienleiterin Hiltraut Paridon ein, das Problem läge "nicht nur in der Lautstärke, sondern auch in der Verarbeitung des Gehörten". Aha, also nicht nur Volume, sondern auch Verstand. Die wirklich interessante Frage wäre also: Schränken Sidos Stammeleien die Aufmerksamkeit stärker ein als Bachs Fugen-Arithmetik?

Für diese Antwort ist allerdings vermutlich ebenso wenig eine Studie notwendig wie für den Zusammenhang zwischen Kopfhörermusik und eingeschränkter Wahrnehmung im Straßenverkehr. Schon klar, mit Statistikern muss man immer rechnen. Aber herrje, welchen Sinn haben solche Studien und Fragestellungen? Irgendwas lenkt halt immer von irgendwas ab. Man kann nur hoffen, dass die IAG-Forscher nicht die Autofahrer in die Finger kriegen. Denn dann ermitteln sie am Ende noch, dass Motorenlärm in signifikanter Weise vom Verkehrsgeschehen ablenkt oder die Gesprächslautstärke des Beifahrers ein Sechstel der Aufmerksamkeit des Fahrers kostet.