Eine Glosse von René Soukup

So ein Wochenendtrip an die Ostsee kann für Großstädter aus Hamburg etwas Erholsames und Lustiges zugleich sein. Gerade wenn einem der Schweiß wegen heißer Temperaturen trotz Nichtstun den Rücken nur so herunterläuft. Dabei wird der Spaßfaktor nicht unwesentlich vom Beförderungsmittel beeinträchtigt. Sofern man Pkw-Fahrer ist und schnelles Vorankommen auf der Autobahn 1 in beiden Richtungen erwartet, kann die blendende Laune ganz schnell in Staufrust umschlagen. Und die Abkühlung ist schnell vergessen, zu sehr schlägt es einen die Zornesröte ins Gesicht.

57 Minuten dauert die 78 Kilometer lange Strecke vom Stadtteil Hamm nach Travemünde Strand und andersherum laut Routenplaner im Internet. Und damit rund 40 Minuten weniger als mit der Bahn. Ohne Bleifuß und umsteigen, also ganz entspannt. Denkste! Schon nach wenigen Kilometern Richtung Lübeck ist Schritttempo angesagt, der Blick nach vorne verspricht nichts Gutes. Nach etwas über einer Stunde meldet sich der Kollege, der den Zug wegen Platzmangels im Auto nehmen musste, via Handy. Er sitze komfortabel, könne schon die See riechen, und das erste Bier schmecke übrigens prima. Wie schön für ihn. Bei den Pkw-Insassen geht derweil die Flasche Wasser herum - bei offenem Fenster, es riecht nach Autoabgasen. So stellt sich kein Strandfeeling ein.

Ja, auf der A 1 kann man was erleben. Und viel beobachten, weil es mitunter so schneckenmäßig vorangeht. Also raus auf den Rasthof Buddikate, erst einmal stärken. Doch auch dort dasselbe Bild: An der Kasse ist Schlangestehen angesagt. Bei der Abfahrt fällt einem sofort ein Plakat mit der Aufschrift "Fahr nicht so schnell" ins Auge. Wie denn auch? Soll man jetzt schmunzeln oder weinen? Galgenhumor ist die bessere Variante.

Nach einem halben Vormittag auf der Autobahn ist endlich die See in Sichtweite. Plötzlich klingelt das Handy. Wo wir denn bleiben? Der Kollege aus der Bahn sitze schon am Strand. Übrigens mit ganz netten Menschen, die er auf der Zugfahrt kennengelernt habe. Und überhaupt: Bier müssten wir noch mitbringen, da er den gemeinsamen Vorrat aus der Kühlbox, die ihm anvertraut wurde, den neuen Bekannten spendiert habe. Die Stimmung im Auto tendiert gen null. Wetten, dass der Wagen beim nächsten Ostseetrip zu Hause bleibt?