Eine Glosse von Daniela Pemöller

Ich habe sie nie verstanden, die Gaffer. Ich rede nicht von den bemitleidenswerten Geschöpfen, die nach Unfällen sensationsgierig stehen bleiben, dreist den Fotoapparat zucken, während sie Helfer bei der Arbeit behindern. Nein, ich rede von Menschen, die bei schönem Wetter nichts Besseres zu tun haben, als zur Autobahn zu pilgern und sich vorbeisausendes Blech anzusehen. Gemütlich in einen Klappstuhl gefläzt oder lässig am Brückengeländer lehnend, verfolgen sie die rollende Karawane und halten einen Plausch in lauschiger Kulisse. Manchmal wird sogar gewinkt. Warum, frage ich mich, macht man das? Was fasziniert an einem Ort, der sich als bildschirmschonendes Nachtprogramm für öffentlich-rechtliche Fernsehsender eignet?

Am vergangenen Wochenende erlebte ich an der Elbe eine Abart dieses Phänomens. Ganz Hamburg war auf den Beinen, um der Sonne nachzulechzen. Busse und Fähren barsten aus allen Nähten, und in Övelgönne herrschte Völkerwanderung. Alles bestaunte die Pötte der Weltmeere, die im Hafenbecken mit ihren dicken Bäuchen rangierten. Alle? Nein! Vier Gestalten ließ der Hafen-Hokuspokus kalt. Sie faszinierte der Abschleppvorgang eines Land Rover. Geschlagene fünf Minuten staunten die drei Teenager und der rüstige Rentner über den am Haken baumelnden Gelände-Briten, der vom Parkplatz auf die Ladefläche des Abschleppers manövriert wurde. Der alte Herr fand die Aktion sogar so spannend, dass er sie unbedingt fotografieren musste.

Womöglich, weil man Gauner nur selten in Aktion vor die Linse bekommt. Denn nichts anderes sind diese Unternehmen, die Parkplatzbesitzern die Lizenz zum Abschleppen abschwatzen. Und viel raffinierter als der Kerl, der sich vor vielen Jahren an genau so einem sonnigen Sonnabend auch an parkenden Autos eine goldene Nase verdienen wollte. Ausgestattet mit weißer Mütze, so erzählt mir ein Freund, stand er da, wo eben noch der Land Rover war (damals lag die Fläche brach) und verlangte von jedem Besucher eine Parkgebühr. Das ging so lange gut, bis die Polizei nach seinem nicht vorhandenen Gewerbeschein fragte. Bei dieser Aktion wäre selbst ich gerne ein Gaffer gewesen.