Vom Fahrrad abgeguckt: Schalt- und Automatikgetriebe werden technisch aufgerüstet. Das steigert den Komfort und senkt merklich den Verbrauch.

Fahrradfahrer kennen es längst: Je mehr Gänge sie haben, desto besser können sie Hügel meistern und das Tempo regulieren. Diesem Vorbild folgen zusehends auch die Ingenieure in der Autoindustrie und rüsten ihre Getriebe auf. Ob Automatik oder manuelle Schaltung - in beiden Varianten halten zusätzliche Schaltstufen Einzug.

Ein Plus an Gängen dient in erster Linie der Komfortsteigerung und dem Spritsparen, erklärt Peter Ottenbruch, Technikvorstand beim Zulieferer ZF. Das Unternehmen hat kürzlich die erste Pkw-Automatik mit neun Gängen vorgestellt. Das Räderwerk bietet eine weitere Spreizung und hält den Motor länger im optimalen Betriebsbereich. Dadurch sei ein Verbrauchsvorteil von elf Prozent möglich, verspricht ZF-Ingenieur Michael Ebenhoch. Die Beschleunigungswerte verbessern sich durch die neunstufige Automatik ebenfalls. Auch der Fahrkomfort profitiert von geringeren Motordrehzahlen. "Bei üblicher Autobahngeschwindigkeit dreht der Motor pro Minute mit etwa 700 Touren weniger", sagt der ZF-Entwickler. Das neue Getriebe soll in zwei Jahren in Serie gehen und seinen Einstand in einem Modell der Chrysler Group geben. Da es für Autos mit Frontantrieb und Quermotor konzipiert ist, eignet es sich eher für die Kompakt- und Mittelklasse als für Oberklassemodelle.

Nachdem es bei der Automatik seit knapp zwei Jahren die ersten Achtstufen-Getriebe und bald neun Gänge gibt, legen nun auch die Handschalter einen Zahn zu. Als erster Pkw erhält der neue Porsche 911, der demnächst in den Handel kommt, ein Siebengang-Schaltgetriebe. Laut Hersteller trägt die neue Getriebeabstufung dazu bei, den Verbrauch bei der sparsamsten Modellvariante um rund 16 Prozent auf durchschnittlich 8,2 Liter zu drücken.

Während in den gehobenen Preissegmenten mit sieben, acht und neun Gängen geschaltet und experimentiert wird, gibt es bei den günstigeren Fahrzeugen noch immer Handschalter mit fünf und Automaten mit vier Stufen. Aber nicht mehr lange, glaubt Timo Götte, der bei Volkswagen die Vorausentwicklung von Getrieben leitet: "Auch im kleineren und mittleren Fahrzeugsegment werden Getriebe mit sechs Gängen zunehmend Standard."

Es ist allerdings nicht die Anzahl der Gänge und damit die Spreizung des Getriebes allein, wodurch sich die Effizienz eines Antriebs steigern lässt. Auch die Reduzierung von Reibverlusten bei Lagern, Schaltelementen oder Ölpumpen spielt eine Rolle. Eine weitere Stellschraube sei das Gewicht, ergänzt Ralf Wörner aus der Mercedes-Entwicklung. Die aktuelle ZF-Neuheit gibt ihm recht: Obwohl die Automatik einen Gang mehr hat als bisher, besteht sie aus weniger Teilen und ist leichter als ein herkömmliches Getriebe. Der Erfolg von Automaten mit sieben, acht oder neun Gängen hängt vor allem davon ab, wie gut ihr Schaltkomfort ist. Volkswagen-Experte Götte: "Die Kunden werden die vielen Schaltvorgänge nur akzeptieren, wenn diese fast nicht mehr spürbar sind."

Wird es womöglich nicht bei neun Gängen für die Automatik und sieben für das Schaltgetriebe bleiben? "Heute kann ich mir nicht vorstellen, dass wir in naher Zukunft noch einmal einen Gang zulegen", sagt ZF-Vorstand Ottenbruch. "Doch das habe ich vor zwei Jahren bei der Premiere unserer Automatik mit acht Gängen auch schon gesagt - und strafe mich jetzt selber Lügen."

Im Hinblick auf die Mobilität der Zukunft könnten die Getriebe-Entwickler bald arbeitslos werden, denn dem Elektroauto reicht eine einzige Fahrstufe. Angst um ihren Job haben sie aber nicht: "Auch künftig gibt es eine Koexistenz unterschiedlicher Antriebsformen", ist Daimler-Ingenieur Wörner überzeugt. "Deshalb wird weiter an der Optimierung der Getriebe gearbeitet."