Eine Glosse von Dennis Sand

Es gibt für alles ein erstes und für manches ein einziges Mal. Während die ersten Küsse, Konzerte und kleinen Liebschaften in ewiger Erinnerung bleiben, bleibt der bestandene Führerschein hingegen einfach nur in der Tasche. Irgendwann sind meine Freunde nach und nach in den verbeulten Zweitgebrauchtwagen ihrer Eltern vorgefahren, die wir dann ein paar Monate später selbstbewusst mit Abiturjahrgangszahlen und -sprüchen zugestickert haben. Irgendwann hatte auf dem Schulhof jeder seinen Führerschein. Alle, bis auf die Kiffer, die irgendwie zu motivationslos waren, die Fahrstunden mit ihrer Freizeit zu koordinieren. Und alle, bis auf mich.

Ein Leben ohne Führerschein hat Folgen. Wenn meine Freundin mich mal wieder mit ihrem alten Golf abgeholt hat, habe ich die vielen chauvinistischen Männerwitze und Demütigungen einfach auf dem Beifahrerplatz ausgesessen. Führerscheinmachen: Der letzte Initiationsritus unserer mobilisierten Gesellschaft - er ist einfach an mir vorbeigerollt.

Der fehlende Führerschein bringt eine oft übersehene fahrpolitische Verantwortung mit sich. Ich habe gelernt mich anzupassen. Und ein guter Beifahrer zu sein. Davon gibt es zu wenige. Die richtige Musik, die fahrtgerechte Verpflegung (Süßes bei Nacht-, Sandwiches bei Tagfahrten) und auch für eine ordentliche Orientierung auf dem Asphalt ist man zuständig. Karten lesen kann ich zwar nicht, aber ich habe gelernt, sämtliche Navigationsgeräte zu bedienen und sie ohne Umstände in die Zigarettenanzündstöpsel zu stecken, wenn das Akkulicht wieder warnend rot aufleuchtet. Niemals würde ich mich über einen vermeintlich schlechten Fahrstil beklagen. Ich bin anspruchslos. Für mich ist die Fahrt gut, wenn ich mein Ziel erreiche.

Der Beifahrer hat auch sonst noch eine wichtige Funktion für den Fahrer. Er wird zu dessen Projektionsfläche, wenn er bezüglich des unfähigen Vordermanns oder des stockenden Feierabendverkehrs wieder in einen, von grunzenden Lauten begleiteten, archaischen Urzustand zurückfällt. Bestätigung ist dann gut. "Ja, das ist echt unmöglich. Grüner wird's wirklich nicht, hup doch noch mal." Das gibt dem Fahrer ein Gefühl von Behaglichkeit - und das ist wichtig.

Fahrer und Beifahrer leben in einer symbiotischen Beziehung. Und immer wenn der Fahrer im neuen Wagen über ein "schleppendes" oder auch mal "sportliches" Fahrgefühl fachsimpelt, dann nicke ich besonders freundlich und vermeintlich interessiert. Im besten Wissen, dass es auf dem Beifahrersitz meistens doch einfach nur eines ist - ganz bequem.