Der Werkstoff Karbon wird verstärkt in Großserienfahrzeugen verwendet. Fertigungskosten sind deutlich gesunken

Für die Zukunft des Autos sehen die Entwickler Schwarz - und zwar im wörtlichen Sinn: Immer häufiger setzen sie bei den Modellen von morgen auf Komponenten aus Kohlenstoff. Gefertigt aus sogenannten Karbonfasern ist dieses Material stabiler als Metall und vor allem deutlich leichter. "So spart man gegenüber Stahlblechen die Hälfte und gegenüber Aluminium etwa 30 Prozent an Gewicht", rechnet Klaus Drechsler vor. Er ist Professor am Lehrstuhl für Carbon Composites der Technischen Universität München - und derzeit ein gefragter Experte.

"Je weiter der CO2-Ausstoß in den Fokus rückt, desto wichtiger wird Leichtbau und mit ihm der Einsatz von Faserverbundwerkstoffen mit Karbon", erklärt Drechsler. Das gelte bereits für konventionell angetriebene Fahrzeuge und werde mit der wachsenden Bedeutung von Elektroautos noch wichtiger. "Damit können die Hersteller einen Teil des Mehrgewichts kompensieren, das der Akku ins Auto bringt."

Bislang gab es die Karbonfasern angesichts der aufwendigen, sehr arbeitsintensiven und langatmigen Produktion vor allem bei Supersportwagen wie dem Bugatti Veyron oder dem Mercedes SLR. Doch erobern sie dank neuer Fertigungsverfahren langsam auch kleinere Fahrzeugklassen. BMW zum Beispiel hat mit einzelnen Komponenten wie dem Dach und einigen Strukturteilen für die Sportmodelle des Werkstuners M bereits Erfahrungen mit größeren Stückzahlen gemacht.

Um Karbon im großen Stil einsetzen zu können, braucht es günstigere Fertigungsverfahren, erläutert Drechsler. Dafür müssten die Produktionszeiten und der Anteil der Handarbeit reduziert werden. Bislang werden die zu großen Matten verwobenen Kohlefasern meist von Hand zugeschnitten, mit Spezialharzen getränkt und dann in großen Öfen viele Stunden lang gebacken, bis sie ihre endgültige Form haben.

Autobauer McLaren nennt konkrete Zahlen, um die Fortschritte bei der Karbon-Verarbeitung aufzuzeigen: Als vor 30 Jahren bei McLaren das erste Formel-1-Auto mit Karbon-Monocoque gebaut wurde, brauchten die Briten für die Fertigung der Kohlefaserkarosserie sechs Tage. Bei ihrem neuen Straßenrennwagen MP4-12C schaffen sie das mittlerweile in vier Stunden, bestätigt Firmensprecherin Lena Siep.

Auch VW setzt für künftige Sparmodelle auf Karbon. Der XL1 kommt nur deshalb mit 0,9 Litern auf 100 Kilometer aus, weil er gerade einmal 795 Kilogramm wiegt. Und VW-Patriarch Ferdinand Piëch kann nur deshalb eine Serienfertigung versprechen, weil die Kosten rapide sinken: "Die Karbonkarosserie des ersten Entwurfs von 2002 kostete rund 35 000 Euro, heute sind wir bei etwa 5000 Euro", so Piëch.

Während BMW und VW bei künftigen Fahrzeugen auf eine nahezu komplette Karbonkarosserie setzen, verfolgen andere Hersteller eine kleinteiligere Strategie: "Wir wollen nicht ein Auto besonders leicht machen, sondern über die ganze Flotte Gewicht sparen", sagt Mercedes-Sprecher Christoph Horn. Deshalb werde es von 2012 an nach und nach Karosserieteile aus Karbon in den einzelnen Baureihen der Schwaben geben. So wie heute bei vielen Fahrzeugen die Türen, die Kotflügel oder die Hauben aus Aluminium gepresst sind, werden dann laut Horn einzelne Komponenten aus Kohlefaser eingesetzt. Zum ersten Mal sehen könne man das bei der nächsten Generation des Roadsters SL, die im Frühjahr 2012 erwartet wird.

Solche Entwicklungen lassen für Experten wie Klaus Drechsler keinen Zweifel daran, dass der Weg in die Massenanwendung von Karbon vorgezeichnet ist. Doch ganz so schnell, wie es manche Autohersteller gerne hätten, werde das wohl nicht gehen: "Serien von bis zu 80 000 Autos im Jahr wird es bald mit Kohlefaser-Konstruktionen geben. Doch bis man die Volumensegmente mit einer halben Million und mehr Autos auf Karbon umstellen kann, dauert es zehn bis 15 Jahre."