Eine Glosse von Yvonne Weiß

Hobbys sind eine schöne Sache, vor allem, wenn andere dadurch nicht gestört werden. Briefmarken sammeln. Stricken. Vinylplatten im losen Wechsel neu ordnen nach Genres oder Erscheinungsjahr. Jean-Luc-Godart-Filme gucken und leise in sich hineinweinen. Alles herrlich still und unauffällig. Harley fahren ist das eher nicht. Gerade wurde Hamburg wieder Teil dieser kollektiven Hobby-Ausübung, die selbst Nicht-Interessenten sehen, hören und riechen können.

Tausende waren da, nur einer der Coolsten wurde schmerzlich vermisst: mein Vater. Stau auf der A 1 und Regen - das kann er seiner Harley-Davidson Heritage Softail Classic nicht antun. Also schaltet sich der kluge Easy Rider das ganze Wochenende telefonisch dazu. Der erste Anruf Sonnabend, 8.21 Uhr: "Wonny! Hörst du sie schon? Geh' mal auf den Balkon!" Dort stehe ich dann im Unterhemd und mit verknoteter Schlafbrille im Haar und halte das Telefon in die Luft, weil Papa hofft, das unverkennbare Blubbern der Zweizylinder-Motoren vernehmen zu können. Er hat Glück. "Das ist ein Sound! Nicht wie dieses hochtourige Heulen der Japaner, da denkt man doch an Zahnarzt. Nein, so klingt Freiheit." Laut?

Der zweite Anruf gegen Mittag: "Bist du schon draußen? Du musst eine Sonnenbrille aufsetzen, der Chrom blitzt doch so!" Ja, knöttere ich, das sei mir ja seit Kindertagen bekannt. Papa fährt seinen Traum von Wildwest seit 22 Jahren durch die niedersächsische Tiefebene; die meiste Zeit aber verbringt er mit dem Putzen der Maschine. Wichtigste Utensilien dabei sind ungetragene Shirts meiner Geschwister und Ballistol-Waffenöl.

Abends dann verkünde ich eine für mich entscheidende Beobachtung: "Papa, ich habe fast keine Maschine mit Weißwandreifen gesehen! Die hast du echt umsonst gekauft." Großes Gelächter: "Klar gibt's die selten. Die Dinger muss man ja ständig polieren." Was sie für Papa umso wertvoller machen. Das Entscheidende am Harley-Hobby ist ja die Zur-Schau-Stellung des Besonderen. Nachschub liefert ihm dabei der Milwaukee Iron Shop in Haverbeck. Ein Mekka der deutschen Tuning-Gemeinde.

Womit wir wieder bei den Harley Days wären. Wie es den Fahrern denn gefallen habe, möchte Papa am Sonntag wissen. "Ich konnte die Gesichter wegen der Helme und Totenkopf-Tücher doch kaum erkennen", sage ich. "Aber unter der Fassade waren sie glücklich und haben gelächelt!", antwortet Papa. Er war nicht dabei - und hat doch alles erkannt.