Auf Automessen stehen Konzeptautos oft im Rampenlicht. Trotz zukunftsweisender Ideen schaffen es aber nur die wenigsten auf die Straße

Kaktus, Düsenjet oder Kofferfisch: Autoentwickler orientieren sich durchaus auch an ungewöhnlichen Vorbildern. Und prompt entstehen dann Autos, die wirklich etwas Besonderes sind - und leider auch bleiben. Denn in den seltensten Fällen wird aus derartigen Studien ein Serienmodell. Sobald ein solches Fahrzeug auf einer Automesse für Aufmerksamkeit beim Publikum gesorgt hat, verschwindet es meist wieder in den Asservatenkammern der Entwicklungsabteilungen. Damit gehen immer wieder auch Autoideen verloren, die es wahrlich verdient hätten, auf die Straße zu kommen. Meist war es einfach der falsche Zeitpunkt, zu dem die furiose Fahrzeugkonstruktion erstmals erschien.

Das richtige Timing nämlich ist besonders beim Hochpreis-Konsumgut Auto von entscheidender Bedeutung. Zumal die langen Entwicklungszyklen in der Branche - ein von Grund auf neues Modell verschlingt mindestens vier bis fünf Jahre von den ersten Skizzen bis zum Verkaufsstart - geradezu visionäres Talent bei den Verantwortlichen voraussetzen.

Wer weiß schon, welche Automode in vier bis fünf Jahren herrschen wird? Zudem brauchen insbesondere neue Autoideen das richtige Umfeld, um sich durchsetzen zu können. Kommt ein Auto zu früh, dann ist es zum Scheitern verurteilt, wie das Beispiel des VW Golf Country zeigt, der als Vorform der heutigen Kompakt-SUV bereits 1990 auf den Markt kam und bereits nach eineinhalb Jahren und weniger als 8000 verkauften Exemplaren wieder eingestellt wurde. Ein neues Marktsegment zu eröffnen erfordert also durchaus Mut - und setzt dazu noch eine Menge Glück voraus.

Es kann aber andererseits auch ein Fehler sein, zu lange mit der Einführung eines neuen Modells zu warten. Oder hoffnungsvolle Auto-Ideen gar nicht erst reifen zu lassen. Beispiele dafür gibt es zuhauf. Und dabei geht es nicht nur um kühnes oder spektakuläres Design, denn dessen Wirkung verpufft im Laufe eines langen Autolebens rasch. Oft verschwinden auch viel versprechende Konzeptautos gleich nach der Messe in den Firmenmuseen.

Der VW Chico von 1991 ist so ein Fall, ebenso der Opel Trixx aus dem Jahr 2004. Beide Autos waren Ansätze für ein wirklich kleines, minimales Stadtfahrzeug, wurden aber nie realisiert. Der knubbelige VW, von dem damals lediglich drei Exemplare gebaut wurden und der mit neuartigen Viergelenk-Türen auf sich aufmerksam machte, wurde von Ferdinand Piëch gestoppt, der am 1. Januar 1993 das Steuer in Wolfsburg übernahm. Das Rennen in dieser damals völlig neuen Marktnische der Microcars machte dann der Smart aus dem Hause Mercedes-Benz, der 1998 auf den Markt kam. Die Idee kam vom Schweizer Swatch-Erfinder Nicolas Hayek, der aber kurz nach dem Serienanlauf aus dem Gemeinschaftsprojekt mit Daimler wieder ausstieg. Opel wäre mit dem Trixx zwar nicht der Erste im Kleinstwagensegment gewesen, wohl aber der erste ernst zu nehmende Herausforderer des Smart. Sicher wäre der schlau konzipierte Trixx ein guter Imagebringer für die Marke mit dem Blitz geworden - und zudem ein ideales Gefährt für den aktuell favorisierten Elektroantrieb.

Auch den VW Bulli, der kürzlich beim Genfer Salon vielen anderen Studien die Schau stahl, gab es schon einmal. Im Januar 2001 stellte VW das Konzeptauto Microbus in Detroit vor, ein Van im Retro-Design, das an den legendären VW-Bus T1 erinnern sollte. Die Produktion des Neo-Bullis in Hannover war bereits geplant, 1500 neue Arbeitsplätze sollten entstehen - da stoppte der damalige VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder das Projekt im Jahr 2004. Nun heißt es, könnte der neue, deutlich kleinere Retro-Bulli mit Elektroantrieb 2014 auf den Markt kommen, sicher aber ist auch das noch nicht. In Wolfsburg, so ist zu hören, wird derzeit noch eifrig gerechnet.

Unter den Sportwagen-Studien, die normalerweise ganz besonders aufregend und verheißungsvoll designt sind, gab es in den vergangenen Jahren gleich mehrere Typen mit einem schweren Schicksal. Im Jahr 2000 etwa präsentierte Jaguar das Modell F-Type, einen knackigen Flitzer mit V6-Motor, der - das machte schon der Name deutlich - die Tradition des Kultmodells E-Type wieder aufnehmen sollte. Ein solches Auto gibt es bis heute nicht von Jaguar. Die italienische Marke Lamborghini griff auch auf einen Klassiker zurück, als sie 2006 die Studie Miura enthüllte. Bereits 40 Jahre zuvor fuhr ein Lamborghini dieses Namens. Eine Renaissance aber gab es auch in diesem Fall nicht - obwohl der Miura des 21. Jahrhunderts sicher der tollste, schönste und wohl auch begehrteste Lamborghini der letzten Jahre geworden wäre.

Die Autos auf der Straße der verpassten Chancen reihen sich in einer langen Schlange. Unter ihnen das Mercedes Bionic Car, eine Art Kompaktvan mit einem Design, das sich an die Form des tropischen Kofferfisches anlehnt - und so eine bis dahin nicht für möglich gehaltene Windschlüpfigkeit aufwies. Als Familienwagen mit extrem niedrigem Verbrauch wäre das voluminöse Auto wohl eine Idealbesetzung geworden. Wurde es aber nicht.

Audi wiederum verpasste die Chance, mal wirklich einen Akzent in der Oberklasse zu setzen. Dabei war die Idee, einen Luxus-Kombi zu bauen, richtig gut. Als Audi Avantissimo wurde das Konzept auf der IAA 2001 gezeigt - und umschwärmt. Ein Serienauto dieser Art aber gibt es bis heute nicht.

Übrigens auch keinen leichten, sparsamen und flotten deutschen Sportwagen, wie aus der Studie VW Eco-Racer von 2005 einer hätte werden können; kein ultrakompaktes Elektroauto für die Stadt, wie die Studie BMW E1 aus dem Jahr 1991 (!) eines war; und auch keinen Volvo vom Schlage der Studie VCC aus dem Jahr 2003, die voller guter Ideen steckte und doch gleich nach ihrem Messedebüt wieder verschwand.

Schade. Wenn sich das Blitzlichtgewitter der Fotografen nach dem Messeauftritt verzogen hat, rollen auch viele Autos voller Innovationen wieder dorthin, wo sie hergekommen sind: in die streng abgeschirmten Hallen ihrer Hersteller. Die Autozukunft hat eben leider auch einen Rückwärtsgang.