Der neue VW Jetta startet als eigenständiges Modell mit viel Platz und macht deshalb auch dem Passat von Volkswagen Konkurrenz.

Für Volkswagen ist der Jetta auf dem deutschen Markt lange Zeit ein Sorgenkind gewesen. Denn anders als in den USA, in China oder Osteuropa greifen die Kunden hierzulande im Zweifel lieber zum Schrägheck-Modell. Um ihnen eine Alternative zu bieten, bekam der VW Golf einst ein "Gepäckabteil" verpasst. Entsprechend improvisiert sahen die frühen Ausgaben des Jetta auch aus, der zwischenzeitlich sogar mal Bora und Vento hieß. Der Jetta sei hausintern - auch in der Designabteilung - ein eher ungeliebtes Kind gewesen, räumt VW-Vorstand Ulrich Hackenberg in der Rückschau freimütig ein. Das soll sich nun ändern.

Der neue Jetta, so Hackenberg, glänze durch eine "hohe Eigenständigkeit". Das stimmt. Zu erkennen ist das nicht nur am Design, sondern auch an den Dimensionen. Mit 4,64 Metern ist die Limousine fast einen halben Meter länger als der Golf, bietet entsprechend mehr Platz im Innenraum und schließt beinahe zum Passat auf. Mehr Auto kostet aber mehr Geld: So schlägt die Einstiegsvariante mit 105 PS leistendem Vierzylinder-Direkteinspritzer-Benziner mit 20 900 Euro zu Buche. Das sind knapp 4000 Euro mehr, als der billigste Golf kostet, der dann allerdings nur über 80 PS Leistung verfügt.

Die Differenzierung in der Optik ist deshalb so deutlich ausgefallen, weil der in Mexiko gefertigte Jetta nach Aussage der Wolfsburger als "globales Auto" gedacht ist. VW erwartet, dass bis zur Hälfte der Produktion auf dem US-amerikanischen Markt verkauft wird. Bisher scheint die Rechnung aufzugehen: Seit der Markteinführung des Jetta im vergangenen Sommer in den USA konnte der Hersteller den Absatz dieses Modells um rund 40 Prozent steigern. Bei seinem Marktstart auf dem alten Kontinent wird es nun also nicht zuletzt darum gehen, wie überzeugend VW den krassen Preisunterschied zum US-Modell begründen kann. Im vom harten Preiskampf mit asiatischen Herstellern gekennzeichneten nordamerikanischen Markt beginnen die Preise des Jetta bei rund 16 000 Dollar - nach aktuellem Wechselkurs etwa 12 000 Euro.

Den Unterschied erklärt der VW-Entwicklungschef damit, dass die Europaversion "mehr in Richtung Komfort ausgelegt" sei. Diese höheren Ansprüche werden auf verschiedenen Ebenen umgesetzt. Die für die Innenraumgestaltung verwendeten Materialien verströmen eine hochwertige Atmosphäre. Um den Fahrkomfort auf ein höheres Niveau zu heben, kommt bei den für Europa vorgesehenen Modellen eine Mehrlenker-Hinterachse zum Einsatz, während die US-Version auf einer halbstarren Konstruktion läuft. Auch die Serienausstattung unterscheidet sich erheblich. Sechs Airbags sind zum Beispiel Standard beim Euro-Jetta. Ausgestattet sind sie mit einer neuen Ultraschall-Sensorik, die ein noch schnelleres Auslösen der Prallsäcke im Notfall garantieren soll. Die Lenkung, die sich auch mit einem Einparkassistenten versehen lässt, ist ein zusätzliches Unterscheidungsmerkmal.

Der 1,2-Liter-Basisbenziner erweist sich im ersten Fahrtest als angenehmer Reisebegleiter. Rund 1300 Kilogramm Leergewicht sind für ein derart stattliches Fahrzeug zudem ein erstaunlich schlanker Wert. Deshalb hat der mit 175 Newtonmeter Drehmoment ausgestattete Motor auch keine erkennbaren Probleme mit der Vorwärtsbewegung. Das Triebwerk zeigt sich erstaunlich elastisch, die Drehzahl der handgeschalteten Version kann man auch bis auf 1000 Touren fallen lassen und kommt im dritten Gang trotzdem zügig vom Fleck. Das Angebot der Ottomotoren soll bis zu einer 200-PS-Variante ausgebaut werden.

Spürbar flotter als mit dem Einstiegsbenziner geht es aber mit dem 1,6-Liter-Dieselaggregat voran. Seine Leistung entspricht mit 105 PS dem des Benziners. Bis auf ein etwas knurriges Anfahrverhalten gibt der kleine Selbstzünder keinen Anlass zur Kritik. Wer noch mehr Schub braucht, kann sich den 2,0-Liter-Dieselmotor bestellen. In der "Highline"-Ausstattung und mit Sechsgang-Automatik sind dann aber schon mindestens 29 950 Euro fällig. Beiden Varianten gemein sind ihre angenehm unauffällige Handhabung, ihr präzises Einlenkverhalten und gute Rückmeldung von der Straße.