Vor 50 Jahren wurde die TÜV-Plakette eingeführt. Jedes fünfte Fahrzeug schafft die Prüfung nicht

"TÜV-Prüfer", sagt Lothar Schulte, "sind eigentlich fast schon Ärzte." Ständig müsse man mit elektrischen Apparaten hantieren, Diagnosen erstellen und besorgten Menschen Mitgefühl entgegenbringen. "Sagen Sie mal einem Mann, der alles für sein Auto tut, der Wagen kommt nicht durch. Das ist ganz schön hart." Schulte, 72 Jahre alt, kennt solche Momente gut. Seit 42 Jahren ist er beim TÜV beschäftigt. Er ist eine Institution. Wie die Prüfplakette.

Die feiert in diesem Jahr nämlich Jubiläum. 50 Jahre bunte Kleber, 50 Jahre Daumen hoch, Daumen runter. Zum 1. Januar 1961 verankerte der Gesetzgeber die Plakettenpflicht in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung. Die Pflicht, sein Fahrzeug auf Mängel überprüfen zu lassen, gab es zwar auch schon davor, aber erst mit Einführung der Plakette konnten Kontrolleure schon von Weitem erkennen, ob dieser Aufgabe auch nachgekommen wurde. Aus den vier Millionen Prüfungen im ersten Jahr sind mittlerweile über sieben Millionen geworden. Beinahe jedes fünfte Auto fällt durch.

"Um ein Auto richtig zu untersuchen, braucht man Gefühl", erläutert Schulte, graue Haare, Brille, blauer Kittel mit antikem TÜV-Emblem. Mit einem kleinen Hämmerchen - "nicht Hammer" - klopft er noch heute an Unterböden älterer Modelle. "Man muss genau hören: Klingt das Blech hell, dann freut das mich und den Fahrzeughalter. Wenn es aber dumpf klingt - oh, oh, dann ist Gefahr im Verzug." Rost. "Da kann man sein Auto noch so pflegen: Wenn der von unten kommt, ist meistens Feierabend."

Die Bremsenprüfung übernimmt mittlerweile ein hochmoderner Prüfstand, der sogar per Laser die Reifen auf ihre Profiltiefe oder ein einseitiges Laufbild hin untersucht. Dass er heute häufiger auf Computerdaten blickt, statt dem Klang in seinen Ohren zu vertrauen, stört Schulte wenig. Aus ästhetischen Gesichtspunkten hat er es aber doch lieber mit alten Fahrzeugen zu tun. "Schau'n Sie sich den 190 SL an. Diese Form, das ist Individualität. Heute, das sind doch alles Einheitsautos." Die allerdings, das sei natürlich klar, auch viel sicherer sind.

Lothar Schulte ist zwar pensioniert, die Finger von Autos und Prüfplaketten lässt er aber trotzdem nicht. Er arbeitet als Lehrer in den Aus- und Weiterbildungsschulen des TÜV. "Da kann ich einiges von dem Wissen weitergeben, das ich mir über Jahrzehnte angeeignet habe." Außerdem sei er so gezwungen, auf dem neusten Stand zu bleiben. "Das Schöne an der Technik ist, dass sie sich ständig weiterentwickelt." Was einen guten TÜV-Prüfer ausmache? "Man muss Interesse an Autos haben und darf das nicht als tote Technik verstehen. Außerdem gerne mit Menschen zu tun haben - und schwierige Diagnosen auch erklären wollen."