Forscher des Fraunhofer-Instituts haben die eisfreie Autoscheibe entwickelt. Technik ist jetzt marktreif

Längst nicht jeder Autobesitzer leistet sich den Luxus einer Standheizung, die nach frostiger Nacht für wohlige Temperaturen im Wagen und freie Sicht sorgt. Dennoch könnte der lästige winterliche Frühsport beim Freikratzen vereister Scheiben für viele Laternenparker bald vorbei sein. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik in Braunschweig haben nämlich eine eisfreie Autoscheibe entwickelt - und die funktioniert noch bei minus 18 Grad.

Dafür wird eine hauchdünne transparente Schicht aus Indiumzinnoxid auf das Glas gebracht. "Diese leitfähige Schicht schützt die Scheibe vor dem Auskühlen, sodass kein Wasser mehr auf der Außenseite kondensieren oder gefrieren kann", erläutert Experte Bernd Szyszka das Prinzip. Der Schnee soll vom Scheibenwischer weggewischt werden, darunter gefriere nichts. Bisher übliche Heizdrähte etwa in Heck- und Frontscheiben oder eine minutenlange und energiefressende Belüftung werden damit überflüssig.

Möglich wurde die eisfreie Autoscheibe durch eine neue Beschichtungstechnik. Bei diesem sogenannten Hochenergie-Impulssputhering werden - vergleichbar dem Billard - im Vakuum mit Edelgas-Ionen Atome aus einer Metallplatte geschossen, die sich dann präzise gesteuert auf dem Glas ablagern. Die Schicht ist nur 0,6 Nanometer dick - weniger als ein Millionstel Millimeter. Sie lässt sich sogar runden und biegen, ist zudem kratz- und sehr lange verschleißfest. Außerdem könnte sie geheizt werden.

"Wir haben in Zusammenarbeit mit einem großen Auto- und einem Glashersteller zehn Jahre an der eisfreien Autoscheibe gearbeitet und sie intensiv getestet", berichtet Szyszka. Nun sei sie marktreif. Man könne theoretisch auch ältere Fahrzeuge damit nachrüsten. Und wie teuer kommt das Glas der Zukunft den Autokäufer? Dazu wagen die Wissenschaftler keine Prognose.

Inzwischen arbeiten die Fraunhofer-Forscher schon an einer Zinkoxid-Beschichtung, die die Scheibe preiswerter und noch robuster machen könnte. Zugleich sehen sie in der Autoscheibe noch ein großes Innovationspotenzial. So forschen sie an Scheiben, die sich selbst reinigen oder sogar "heilen". Beispielsweise kann eine Scheibe mit einer angerauten Beschichtung Wasser abstoßen - ähnlich der Lotuspflanze. Es bilden sich kugelförmige Tröpfchen, die abrollen und dabei Staubpartikel mitnehmen.

Auf die raue transparente Metallbeschichtung könnte außerdem noch eine Wachsschicht gepackt werden. Und sich, wenn sie etwa durch den Scheibenwischer beschädigt sei, selbst wieder instand setzen. Szyszka: "Mit einer anderen Beschichtung könnten Kratzer selbst ausheilen, die Risse selbstständig geschlossen werden." Noch andere Schichten könnten die Sonneneinstrahlung reflektieren und so erreichen, dass bis zu 50 Prozent der Wärme gar nicht erst ins Auto gelangt. Die Klimaanlage müsste weniger arbeiten, der Stromverbrauch im Auto würde sinken. Davon dürften insbesondere die künftigen Elektroautos profitieren, bei denen viel Strom für den Antrieb benötigt wird.

Künftig wollen die Fraunhofer-Forscher auch durchsichtige Displays auf die Autoscheibe packen, auf denen - ohne den Fahrer zu behindern - beispielsweise Navigationskarten oder aktuelle Verkehrsinformationen eingeblendet werden. Dabei setzt man in Braunschweig vor allem auf leitfähige organische Leuchtdioden (englisch abgekürzt OLED). Szyszkas Prognose: "In fünf Jahren ist diese Technik marktreif. Bisher funktioniert das allerdings erst nur im Labormaßstab."