In ihrer Schwülstigkeit kommt die Vision Tour einer Hommage an die legendären Ami-Straßenkreuzer der Dreißigerjahre gleich.

Wo immer dieses Motorrad auftaucht, bleiben Menschen mit offenen Mündern stehen und schauen dem seltsamen Gerät hinterher. Denn in ihrer Schwülstigkeit kommt die Vision Tour des US-Herstellers Victory einer Hommage an die legendären Ami-Straßenkreuzer der Dreißigerjahre gleich.

Dem Fahrer bietet die Vision ein artgerechtes Infoprogramm mit vier Rundinstrumenten und einem Multifunktionsdisplay. Auf der Tankoberseite sind die verschiedenen Knöpfe zur Bedienung des Entertainment-Center inklusive mp3-Dock untergebracht. Ihren Piloten nimmt die Victory in niedrigen 67 Zentimetern Höhe auf und platziert ihn aufrecht bei weitgehend vorgegebener Position im weichen Polster. Die Füße ruhen auf breiten Trittbrettern, auf denen sich Cowboystiefel in Größe 48 verloren vorkommen. Die Arme greifen ans weit nach hinten geschwungene Lenkergeweih und dirigieren die fette Fuhre sicher durch die Welt. Dabei bleibt der Fahrer von allen Umwelteinflüssen verschont. Der riesige Vorbau im Zusammenspiel mit der höhenverstellbaren Scheibe eliminiert alle Winde sowie Regen.

Was in der Übergangszeit wünschenswert ist, führt im Hochsommer aber schon mal zum Hitzestau hinterm Windschild. Hinzu kommt eine ordentliche Dosis Abwärme durch den Auspuffkrümmer. Beim Motor handelt es sich um einen luft-/ölgekühlten V-Motor, der seine zwei Zylinder im Winkel von 50 Grad spreizt. Verglichen mit den Harley-Triebwerken wirkt das 1731 ccm große Aggregat mit Einspritzung, Vierventiltechnik und hydraulischen Tassenstößeln sehr modern. Unterm Strich bringt der Motor ordentliche 95 PS Maximalleistung, die ein stilechter Zahnriemen ans 16-zöllige Hinterrad transferiert. Doch für diese Art Motorrad ist die Leistung zweitrangig, aufs Drehmoment kommt es an. Und da sind maximal 146 Nm schon bei knapp über 4000 Touren enorm. Im lang ausgelegten sechsten Overdrive-Gang schiebt das Bike schaltfaul und sanft blubbernd bei niedrigen Drehzahlen gleitend durchs Gelände. Mehr noch: Beim Gasaufziehen am Ortsausgang dreht die Vision ruckfrei und erstaunlich nachdrücklich bis an den roten Bereich, auch wenn sie und ihre Besatzung sich um 3000 Touren herum wesentlich wohler fühlen.

Was aber wirklich erstaunt, ist die Leichtfüßigkeit, mit der sich diese 360 Kilogramm über das Asphaltband bewegen lassen. Abgesehen von den kritischen Momenten (Anfahren, Anhalten und Rangieren) merkt man der Amerikanerin, die 21 990 Euro kostet, ihre Pfunde gar nicht an.