Rücksichtslosigkeit ist eine Frage der Gesellschaft. Doch manche Menschen machen das Leben lebenswerter. Eine Glosse von Daniela Pemöller.

Hamburg. Manche Menschen machen das Leben lebenswerter. Weil sie uns ein Lächeln schenken. Einfach so. Weil sie beim Joggen innehalten, um einer traurigen Person auf der Parkbank Blumen von der Wiese zu pflücken. Weil sie helfen, wenn man nicht mehr weiter weiß. Ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten.

Sie sind die Federung unserer Gesellschaft. Es läuft kurzweilig auch ohne sie, aber bei Weitem nicht so gut, und irgendwann hüpft alles aus der Spur. Einer dieser Menschen ist mein Nachbar. Dieses Wochenende hat er Geburtstag, er wird 59. Ich möchte ihm gratulieren und mich bei ihm bedanken. Dafür, dass er an bitterkalten Wintertagen auch morgens um acht das Türschloss meiner Amazone (für Nicht-Experten: mein in die Jahre gekommener Volvo) enteist. Dass er mir beim Spannen des Keilriemens assistiert oder meinen kaputten Parkplatzbügel repariert. Mir seinen Benzinkanister borgt und mich im Sommer trotz bestem Grillwetter nachmittags zur Tankstelle und anschließend zu meinem liegen gebliebenen Auto fährt - nur weil ich nachts zuvor leichtsinnig den Reserve-Poker gegen meine Amazone verlor.

Dass dieses Handeln nicht selbstverständlich ist, weiß ich. In besagter Nacht half mir lange Zeit keiner, meine tonnenschwere Schwedin durch den Nieselregen hinterm Lessingtunnel die Julius-Leber-Straße hinaufzuhieven. Schon gar nicht die kräftigen Kerle, die sich gern als das wichtigste Rädchen der Gesellschaft sehen. Eine Freundin erlebte Ähnliches. Nach einer sechsstündigen Autofahrt mit Kollegen hielt sie zum Ausladen des Gepäcks vorm Hotel. Danach fuhr sie den Wagen zum Parkplatz und stellte fest: Alle Koffer waren ausgeladen, nur ihr eigener nicht.

Diese Rücksichtslosigkeit sei typisch für meine Generation, meint meine Mutter. Ich denke, es ist keine Frage der Generation, sondern der Gesellschaft. Weil auch heute noch gilt, was Martin Luther King schon vor rund einem halben Jahrhundert sagte: "Wir neigen dazu, Erfolg eher nach der Höhe unserer Gehälter oder nach der Größe unserer Autos zu bestimmen als nach dem Grad unserer Hilfsbereitschaft und dem Maß unserer Menschlichkeit."

Manche Menschen zeigen, dass es auch anders geht. Danke Torsten, dass es dich gibt.