Die großen Autohersteller unterhalten Entwicklungszentren rund um den Globus. Fahrzeuge werden den lokalen Anforderungen angepasst

Die Welt wird immer kleiner - auch für die Autohersteller. Längst sind sie sogenannte Global Player, die ihre Produkte in nahezu jedem Land der Erde verkaufen. Damit die Kunden einer deutschen Marke auch in Amerika, Japan oder China zufrieden sind und die lokalen Behörden neuen Modellen ihren Segen geben, können VW, BMW und Co. ihre Fahrzeuge aber nicht einfach aus Deutschland exportieren. "Wir müssen die lokalen Anforderungen genau kennen und uns darauf einstellen", sagt Mercedes-Designer Steffen Köhl.

Das gilt nicht allein für die Form, sondern erst recht für die Funktion: Wie die Designer sind auch die Entwickler häufig auf Weltreise und stimmen neue Modelle in aller Herren Länder ab. Martin Steurenthaler zum Beispiel leitet einen BMW-Entwicklungsstützpunkt in Makuhari, einem Vorort von Tokio. Er kümmert sich dort neben der Abstimmung von Fahrwerk und Reifen für die sehr speziellen Straßenbeläge in Japan um die Elektronik. "Es gibt hier eine eigene Form der Mauterhebung, für die wir entsprechende Systeme entwickeln oder ins Auto integrieren mussten", erzählt er aus seinem Arbeitsalltag. Auch musste Steurenthaler den Navigationssystemen der Bayern die sehr viel präziseren und weiter automatisierten Verkehrsmeldungen der Japaner beibringen. Und Wege finden, wie die Elektronik auch auf drei, vier oder fünf übereinanderliegenden Hochstraßen erkennt, auf welcher Spur man gerade unterwegs ist. "Solche Probleme kennen wir mit unserer Straßenführung in Europa kaum", sagt der Ingenieur.

Besonders wichtig sind lokale Entwicklungszentren, wenn ein Auto dort auch produziert werden soll, sagt VW-Entwickler Michael Hinz mit Blick auf den neuen Jetta. Die Stufenhecklimousine läuft im mexikanischen Puebla vom Band. Deshalb wurde sie nicht allein von den rund 10 000 Entwicklungsbeteiligten in der Wolfsburger Zentrale auf die Räder gestellt: Mindestens ein Drittel der Arbeit hat laut Hinz ein Team mit 800 Experten in Mexiko erledigt. Auf seinem Weg in die Serie war der neue Jetta aber nicht nur in Wolfsburg und Mexiko unterwegs: Seine Entwicklung führte die Prototypen unter anderem auch nach Arjeplog in Schweden. Dort, hoch im Norden am Polarkreis, haben die meisten Autohersteller eigene Stützpunkte, von denen aus sie zum Wintertest aufbrechen. "Auf exakt definierten und vermessenen Teststrecken über zugefrorene Seen und winterliche Landstraßen stimmen wir unsere elektronischen Regelsysteme ab. Zugleich prüfen wir, ob neue Technologien kältefest sind", erläutert Stefan Hache. Im Winter verbringt der Mercedes-Ingenieur viele Wochen in einer kleinen Barackenstadt am Ortsrand von Arjeplog.

Ein weiterer Schwerpunkt der globalen Entwicklungsaktivitäten ist Kalifornien. "Hier gibt es die strengsten Abgasgesetze der Welt und deshalb die aufwendigsten Prüfungen durch die Behörden", erläutert Klaus Dieter Roos, der im BMW-Entwicklungszentrum Oxnard nördlich von Los Angeles arbeitet. Außerdem seien die Vereinigten Staaten ein wichtiger Markt, in dem man den Kundengeschmack genau treffen wolle. Das von Oxnard aus gut erreichbare Death Valley zwischen Los Angeles und Las Vegas eignet sich mit Temperaturen von zum Teil weit mehr als 50 Grad für extreme Sommertests. "Bestehen dort Kühlung und Klimaanlage, kann ihnen auch ein heißer August in Deutschland nichts anhaben", stellt Skoda-Sprecher Christoph Ludewig fest. Er rechtfertigt so Testfahrten mit dem Superb in Kalifornien, obwohl die tschechische VW-Tochter ihre Autos in den USA gar nicht verkauft.

Ob im Tal des Todes, am Polarkreis oder Fujiyama - alle Außenposten haben einen sehr guten Draht in ihre Firmenzentrale. Werden zum Beispiel die BMW-Testwagen in der Werkstatt in Oxnard verkabelt, hängen sie nicht nur am amerikanischen Diagnoserechner, sondern auch am Computer der Kollegen in München. Die Tätigkeit am anderen Ende der Welt hat für die meisten Entwickler einen besonderen Reiz. "Wir sehen während der Arbeit Landstriche, die viele nicht einmal im Urlaub zu Gesicht bekommen", sagt ein Mercedes-Testfahrer. Natürlich sind nicht alle Regionen gleichermaßen beliebt: Beim Wintertest in Arjeplog komme es zum Beispiel immer mal wieder zum Lagerkoller, erzählt der Bürgermeister der schwedischen Testmetropole. Kein Wunder: Das Städtchen am Polarkreis hat eben nicht viel mehr zu bieten als drei Kneipen und zwei Supermärkte.

Quelle: VW