Eine Glosse von Daniela Pemöller

Es ist wieder so weit. Und dieses Mal werde ich es nicht vergessen. Udo-Jürgens-Jünger treffen sich heute in Hamburg zu ihrem Jahreshighlight: dem Schlagermove.

Mit Schrecken denke ich an das vergangene Jahr. Als auf den Straßen der Innenstadt nichts mehr ging. Und ich hinterm Steuer meines Volvo Amazon klemmte. Bei tropischen 40 Grad Hitze. Während ich vor Durst verging, dröhnte von draußen das besoffene Grölen Zigtausend verschwitzt schunkelnder Seelen an meine Ohren: "Griiiiiechischer Waaaiiiiin. Und die altverdraaaauden Liiiiedaa. Scheng' noch ma ein".

Moderne Folter, schoss es mir damals durch den Kopf. Die Amerikaner haben es vorgemacht. Kapitulation durch krasse Dauerbeschallung. Panamas Diktator Manuel Noriega hielt den Hardrock-Klängen von AC/DC und Metallica im Verhör 24 Stunden stand, bevor er schließlich aufgab.

Ich hatte grade mal zwei Stunden hinter mir. Wie Blech-Schnecken bei einer WM der Langsamkeit krochen wir die Willy-Brandt-Straße hoch. Ich fragte mich: Kommt Schlagermove eigentlich von Schlagen? Und wenn man zuschlägt, movt dann hier vielleicht wieder was? Der Polizist an den Landungsbrücken, den ich vor einer Stunde gefragt hatte, sagte, über die Budapester Straße käme man nach Altona. Er sagte nichts von einer Vollsperrung auf Höhe des Museums für Hamburgische Geschichte. Und nichts von der Umleitung Richtung Laeiszhalle. Dahin, wo ich vor zwei Stunden gestartet war.

Ich merkte, lange würde ich nicht mehr zurechnungsfähig sein. Um nicht durchzudrehen, wollte ich umdrehen. Einen eigentlich nicht erlaubten U-Turn machen. Bei einer voll gesperrten Straße dürfte das kein Problem sein. Durfte es doch. Die Polizistin schüttelte mit zusammengekniffenen Augenbrauen resolut ihr blondes Haupt. Keine Diskussion. Waren es die lustigen Lockenperücken, die Schlaghosen im Regenbogenlook oder die klebrigen Brusthaartoupets, die sie so unnachgiebig machten?

Was soll's. Ich reihte meinen Schweden zurück in die Kette der Karawane und summte die Melodie von Johann Strauss' "Fledermaus", übrigens einer der ältesten deutschsprachigen Schlager: Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist.