Ein 1200-PS-Motor bringt den rund zwei Millionen Euro teuren Bugatti Veyron Vitesse auf eine Höchstgeschwindigkeit von 410 km/h.

Er hat 1200 PS, fährt 410 km/h und kostet über zwei Millionen Euro - wer einmal am Steuer des Bugatti Veyron Vitesse gesessen hat, der sieht die Welt mit anderen Augen. Denn kein Auto ist so brachial und zugleich so feudal wie der Tiefflieger, mit dem VW-Patriarch Ferdinand Piëch jetzt das Portfolio des Großkonzerns krönt. The Beauty and the Beast - nie lagen diese Extreme näher beisammen als bei dem Zweisitzer, den eine Handvoll Mechaniker binnen sieben Wochen in einer Manufaktur im Elsass zusammenschraubt.

Was die beiden Pole trennt, ist nichts als ein einziger Gasstoß. Eben noch eine Luxuslounge auf Rädern, die kaum lauter ist als ein Elektroauto, ihre meiste Leistung ungenutzt lässt und akustisch so unspektakulär durch die Stadt rollt, dass einen nur die Blicke der Passanten nicht vergessen lassen, in was für einem faszinierenden Fahrzeug man sitzt. Es genügt aber ein Wimpernschlag, um das Weltbild ins Wanken zu bringen: Denn kaum weckt man mit einem Tritt zum Bodenblech die Lebensgeister des acht Liter großen 16-Zylinders, wird der Vitesse zur famosen Furie, die kein Halten mehr kennt.

+++Familienauto oder Sportler - ganz nach Geschmack+++

+++Toyota-Yaris: ein Kleinwagen der Großes kann+++

Dank Allradantrieb und den mit 365er-Walzen auf 21-Zoll-Felgen größten Hinterreifen, die je bei einem Straßensportwagen in Serie verbaut wurden, reißen ihn 1500 Newtonmeter Drehmoment ohne jede Mühe und mit keinem anderen Geräusch als dem Brüllen des Motors in nur 2,6 Sekunden auf Tempo 100. Wo andere Sportwagen noch mit dieser Hürde kämpfen, hat er nach 7,1 Sekunden schon 200 km/h auf der Uhr. Und ehe man sich es versieht, steht die Tachonadel schon jenseits der 300er-Marke. Das alles geschieht so leicht und mühelos, dass man auf jedem Meter seinen Führerschein riskiert. Völlig gelassen beschleunigt der Vitesse schon im ersten Gang bis über 100 km/h und rollt mit 250 so ruhig, satt und unbeirrt dahin wie andere Autos bei Landstraßentempo.

Ständig schaut man deshalb in den Rückspiegel, ob die Schutzengel auch hinterherkommen. Etwas anderes sieht man darin ohnehin nicht. Denn kaum hat man zum Beispiel einen Lastwagen überholt, ist der bei diesem Tempo auch schon aus dem Blickfeld verschwunden.

Spektakulär ist dabei nicht nur die Geräuschkulisse, die vom fast flüsterleisen Leerlaufgrummeln bis zum garstigen Gebrüll reicht und jedes Mal in einem wütenden Fauchen gipfelt, wenn man den Fuß vom Gas nimmt und die Turbos ihren Überdruck abblasen. Mindestens genauso spektakulär ist die Lässigkeit, mit der man dieses millionenschwere Kraftpaket über Landstraßen und Rennstrecken zirkeln kann. Obwohl zwei Tonnen schwer, folgt er willig jeder Kurve und lässt sich mit dem kleinen Finger an die Ideallinie dirigieren. Das ist kein Kampf, sondern ein Genuss, kein Kraftakt, sondern ein eleganter Tanz, den jeder Fahrschüler beherrschen würde. Man muss ja nicht gleich Tempo 300 oder gar 400 fahren. Aber wer normales Tempo geht, der hat den Veyron so leicht im Griff wie einen VW Polo - nur dass der nicht so komfortabel und lange nicht so luxuriös ist.

Zwar gibt es nichts, aber wirklich überhaupt gar nichts, was den Rekordpreis von 2,01 Millionen rechtfertigen könnte. Immerhin bekommt man für das gleiche Geld auch 20 Porsche 911 oder 100 VW Golf - und zwar ohne den dann sicher fälligen Mengenrabatt. Aber zumindest haben die Ingenieure für die Raserei einen gigantischen Aufwand getrieben. Nicht nur der 490 Kilo schwere Sechzehnzylinder ist einzigartig und genau wie die siebenstufige Doppelkupplung allein für Bugatti entwickelt. Auch die Nebenaggregate erbringen Rekordleistungen. Die vier Treibstoffpumpen zum Beispiel fördern in der Stunde maximal 264 Kilo Sprit. Bei Vollgas ist der 100-Liter-Tank deshalb in nur zwölf Minuten leer - allerdings hat der Veyron dann in dieser Zeit schon 75 Kilometer zurückgelegt. Die Turbos blasen mit 3700 Kilogramm in einer Stunde mehr Luft in die Zylinder, als ein Mensch einen Monat zum Atmen braucht. Und die Abwärme aus Kühler und Auspuff würde reichen, um 80 Einfamilienhäuser zu heizen.

Natürlich ist der Vitesse optisch ein Leckerbissen. Die zwei Lufthutzen links und rechts der Motorabdeckung erfüllen beim Roadster gleich zwei Aufgaben: Einerseits nehmen sie die Ansaugluft für den Motor auf, andererseits sind sie geschickt integrierter Bestandteil des Überschlagschutzes.

Da kann man verstehen, weshalb die Kunden etwas tiefer in die Tasche greifen müssen. Ein Dutzend gut betuchte Schnellfahrer weltweit haben das Auto nach Unternehmensangaben inzwischen schon bestellt und dafür eine Anzahlung von 400 000 Euro geleistet. Aber Geld allein reicht nicht, um einen Bugatti zu besitzen. Man braucht auch ein gehöriges Maß an Geduld. Weil die Volkswagen-Tochter lediglich 40 Exemplare im Jahr baut und in den zurückliegenden Jahren die bislang insgesamt 369 Aufträge für Coupé und Roadster noch nicht ganz abgearbeitet sind, muss man mit mindestens zwölf Monaten Lieferzeit rechnen. Laufen müssen die Kunden währenddessen allerdings nicht: Wer einen Bugatti bestellt, hat im Durchschnitt schon 32 andere Autos in der Garage.

Bis zum Jahr 2015 soll auch die Nachfolge des Veyron geklärt sein. Die vornehme VW-Tochter favorisiert das Projekt "Galibier", das anstelle eines Supersportwagens eine luxuriöse Limousine mit einer Länge von mehr als fünf Metern vorsieht. Zwar laufen dafür bereits die ersten Testfahrten, und die Entwicklung ist relativ weit fortgeschritten. "Doch eine finale Entscheidung der Konzernspitze steht noch aus", sagt ein Bugatti-Manager.