Lange Autofahrten sind bald nicht mehr langweilig. Autohersteller entwickeln neue Unterhaltungsangebote für die Passagiere.

"Wie lange noch?" Wenn diese Frage vom Autorücksitz kommt, wissen die Eltern, dass sie sich bald etwas einfallen lassen sollten. Denn je gequälter der Nachwuchs diese Worte dehnt, desto größer ist die Langeweile auf der Rückbank. Bislang hilft dagegen in der Regel nur eine ausgedehnte Pause, die Lieblings-CD oder auch manches Ratespiel. Doch bald gibt es dazu Hightech-Alternativen seitens der Hersteller.

Beispielsweise das Forschungsprojekt "Windows of Opportunity" von General Motors, bei dem die Seitenscheiben im Fond zu berührungsempfindlichen Bildschirmen werden und für Unterhaltung sorgen. Mit passenden Apps, also kleinen Softwareprogrammen, verwandeln sich die Fenster zum Beispiel in Tafeln, auf denen man mit den Fingern malen kann. Oder sie dienen als elektronische Pinnwand - dann können mit dem Staunachbarn Kurznachrichten ausgetauscht werden. Die Chancen für eine Serienfertigung stehen nach Angaben von Projektleiter Tom Seder allerdings "in den Sternen".

Serienreif dagegen sind bereits mobile Hotspots, wie sie etwa Audi oder BMW anbieten. Sie nutzen die Antennentechnik des Fahrzeugs und stellen über das Mobiltelefon eine WLAN-Internetverbindung her. Daran angeschlossen werden können bis zu acht Endgeräte, erläutert Audi-Sprecher Josef Schloßmacher. Während der Beifahrer seine E-Mails liest, surft der Nachwuchs auf der Rückbank mit Tablet-PC oder Laptop durchs Internet. Oder sitzt ebenfalls am Steuer, wenn auch nur in einem Autorennspiel.

In Modellen wie der Mercedes S-Klasse, dem Jaguar XJ oder dem Range Rover wird schon ein sogenannter Dual-View-Monitor in der Mittelkonsole angeboten. Nach dem gleichen Prinzip wie bei den Wackelbildern in Kinderbüchern sind auf ihnen aus unterschiedlichen Perspektiven zwei unterschiedliche Bilder zu sehen. Während das Display für den Fahrer zum Beispiel die Navigationskarte anzeigt, kann der Beifahrer auf dem gleichen Bildschirm eine DVD anschauen, erläutert Mercedes-Sprecher Michael Allner. Und damit das Radioprogramm nicht gestört wird, kommt der Ton zum Film per Infrarot über kabellose Kopfhörer.

Audi-Entwickler Werner Hamberger ist das noch nicht genug. Er arbeitet deshalb an einem zweiten Head-up-Display, das explizit auf den Beifahrer zugeschnitten ist. So, wie die Projektionstechnik dem Fahrer beispielsweise Navigationshinweise oder Tachodaten ins Blickfeld spiegelt, könnte der Sozius die Frontscheibe in absehbarer Zeit schon als eine Art Bildschirm für das Surfen im Internet oder als Leinwand für das Bordkino nutzen.

Entwicklungen wie diese würden den Autofahrern künftig noch häufiger begegnen, ist Jan Burgard von der Münchner Strategieberatung Berylls Strategy Advisors überzeugt. "Allerdings müssen sich die Autohersteller etwas einfallen lassen, um mit der Elektronikindustrie mitzuhalten, sonst wird das Geschäft vollends an ihnen vorbeigehen", ist Burgard überzeugt.

"Dann nehmen die Passagiere auch im Auto nur noch ihr Laptop, das Mobiltelefon oder ihren Tablet-Computer." Diese Entwicklung zeichne sich bereits ab. Sogenannte Rearseat-Entertainment-Systeme, wie die Branche die Videomonitore für den Fond nennt, würden nur von weniger als zwei Prozent der Kunden bestellt. Lediglich in großen Limousinen und teuren SUV erreiche die Quote zweistellige Werte.

Weil der Entscheider über den Kauf am Ende meist doch hinter dem Lenkrad sitzt, sparen die Entwickler den Fahrer beim Ausbau des Unterhaltungsprogramms nicht aus. Dies illustriert etwa das BMW-Forschungsprojekt "Micropausen App", das die Rotphasen der Ampeln für kurzweilige Zerstreuung nutzt.

Sobald der Wagen steht, verschwindet dabei automatisch die Tachoanzeige und macht Platz für E-Mails oder Facebook-Kontakte. Sogar "Pacman" könne man mithilfe der Lenkradtasten im Cockpit spielen, sagt Projektleiter Marc Bechler. Die Gefahr, dabei die Welt draußen völlig zu vergessen, bestehe nicht: Weil die Elektronik die Ampel beobachtet, blendet sie Spiele und Mails aus, bevor es wieder grün wird.