Eine Glosse von Frank Wald

Neulich auf der Autobahn. Ein überdimensionaler Spickzettel steht am Straßenrand. Ein Notizblockabriss mit Lippenstift-Kussmund und der Aufforderung "Lass Dir Zeit" zwischen Schlüssel und Geldbörse. Während ich noch denke, mit dem abgerockten Autoschlüssel ohne Funkfernbedienung wird dem mutmaßlichen Fahrer eines Gebrauchtwagen aus vierter Hand vermutlich auch gar nichts anderes übrig bleiben, nähert sich ein weiteres Plakat. Diesmal klebt ein rosa Zettel mit der Aufforderung "Fahr nicht so schnell" plus Herz auf einem Badezimmerspiegel.

Nach weiteren 50 Kilometern ein drittes Motiv, ein gelber Post-it auf den Gebläsedüsen mit der Aufschrift "Finger vom Handy", mit Smiley darunter. Wie reizend. E-Mails lesen und im Internet surfen geht aber in Ordnung, oder? Okay, dann schau ich doch gleich mal, welche Kreativen da wieder am Werke waren? Ja, der Deutsche Verkehrssicherheitsrat war es, zusammen mit dem Ramsauer Peter, unserem obersten Verkehrspolizisten, der mit seinem spitzfindigen "Punkte-Tacho" künftig "Tempo-80-Raser" auf der in der Stadt ebenso hart bestrafen will wie besoffene Fahrer, die Fußgänger umnieten.

Rund 800 dieser Lehrtafeln haben sie im Land aufstellen lassen. Dazu noch 150 Speditions-Lkw, lackiert mit "Papi, fahr vorsichtig"-Zetteln, durch die Republik geschickt. Eine Fortsetzung der erfolgreichen Kampagne "Runter vom Gas" sei das, die nun auch "auf weitere Unfallursachen wie Ablenkung oder Fahren unter Alkoholeinfluss - besonders auf Landstraßen" aufmerksam machen soll, weil hier das Unfallrisiko "sehr viel höher als auf Autobahnen" sei. Aha! Fragt sich, was die Dinger dann an der Autobahn verloren haben?

Auch die Verbindung zwischen Alkohol am Steuer und Post-it leuchtet nicht auf Anhieb ein. Es sei denn, der Lippenstift-Kuss spielt auf die Nacht davor an. Wobei sich generell die Frage stellt, warum die "Fahr-Tipps" nur an Männer gerichtet sind? Fast wünscht man sich die Horror-Plakatserie aus den vergangenen drei Jahren zurück, auf denen halbtote Intensiv-Patienten von ihren kaum weniger lädierten Angehörigen getröstet wurden und Hinterbliebene Erinnerungsfotos mit Trauerflor in die Kamera hielten. Das versteht wenigstens jeder - bei Tempo 80 oder 180.