Für mehr Sicherheit, Komfort und Umweltschutz: Bei modernen Fahrzeugen macht die Bordelektronik bald schon die Hälfte des Fahrzeugwertes aus.

Lernende Fahrzeuge, das mitdenkende Auto als rollender Computer - Visionen, die in modernen Fahrzeugen heute längst Wirklichkeit geworden sind. In Modellen der gehobenen Preisklasse - wie beispielsweise der Mercedes S-Klasse - finden sich heute bis zu 80 "eingebettete Rechensysteme", diverse Steuerungselemente und rund ein Gigabyte Software.

"Vom Automatikgetriebe über das Navigationsgerät bis hin zu Autoradio und Fensterheber - sehr viele Bestandteile des Fahrzeugs werden heute durch elektronische Systeme unterstützt, die Messdaten liefern und auswerten, um die Fahreigenschaften zu verbessern und dem Fahrer die Bedienung erleichtern", sagt Ralf Möller vom Institut Softwaresysteme an der Technischen Universität Hamburg-Harburg. "Mittels einer Vielzahl von Sensoren analysiert das Auto selbstständig die Fahrweise desjenigen, der am Steuer sitzt", so der Experte. "Die im Fahrbetrieb erhobenen Messdaten werden gespeichert, die Einstellungen innerhalb des Fahrzeugs angepasst. Damit erreicht man zum Beispiel, dass ein Automatikgetriebe nicht gerade in dem Moment hochschaltet, wenn der Fahrer beschleunigen will."

Anders als etwa die automatische Anpassung der Sitzhöhe oder der meistgehörten Radiosender sowie der Lautstärke, sind solche Modifikationen der ursprünglichen Werkseinstellungen vom Fahrer kaum zu bemerken. Dennoch wird damit nicht nur der Fahrkomfort erhöht, sondern unter anderem auch zwei bis drei Prozent Benzin gespart. "Auf Dauer rechnet sich das durchaus", so Möller. Er schätzt, dass heute der Wert eines Autos schon bis zu 40 Prozent auf den Entwicklungskosten für die Bordelektronik beruht. Bald könnten die internen Bits und Bytes sogar die Hälfte des Fahrzeugwertes ausmachen.

So erkennt beispielsweise die von BMW entwickelte "Adaptive Getriebe Steuerung" (AGS) den persönlichen Fahrstil und wählt automatisch den optimalen Gang aus, um unnötiges Schalten zu vermeiden. Das Fahrzeug lernt, wie der Fahrer das Gaspedal betätigt, ob er häufig aus der Kurve heraus beschleunigt oder die Motorbremse benutzt. Auch äußere Bedingungen wie Steigungen oder Wetterverhältnisse fließen in diese Berechnungen mit ein. Mittels der "Digitalen Motor Elektronik" (DME) werden alle zentralen Funktionen des Motors von Sensoren überwacht, die Ergebnisse direkt in Steuerkommandos für Zündung und Kraftstoffeinspritzung umsetzt. Gemessen werden Motordrehzahl, Ansaugluftmasse, Lufttemperatur, Luftdichte, Kühlwassertemperatur, Drosselklappen- bzw. Gaspedalstellung und Geschwindigkeit. Laut Hersteller erhält das System bis zu 1000 Informationen pro Sekunde, die es innerhalb der gleichen Zeitspanne mit bis zu sechs Millionen Rechenschritten verarbeitet. Gleichzeitig überprüft die Motorelektronik alle Daten auf Plausibilität, indem sie die Signale der Sensoren mit den Reaktionen des Systems vergleicht. Liefert ein Messfühler unrealistische Informationen, werden diese durch programmierte Normwerte ersetzt.

Für die Hersteller ist Software zu einem wichtigen Schlüssel geworden, sich vom Wettbewerber zu unterscheiden. Die Wertschöpfung im Automobilbau verschiebt sich immer weiter von Hardwarebauteilen über Elektronikkomponenten hin zu Softwareapplikationen. "Mittlerweile ist es sogar möglich, Software-Updates zu kaufen und in der Werkstatt einzuspielen", sagt Ralf Möller. Damit könnten Fehler behoben oder die Grafik des Navigationssystems verbessert werden. "Diese Art Service wird mehr und mehr kommen."

Neben der internen Vernetzung von Sensoren steuert die Bordelektronik weitere "intelligente" Einzelfunktionen, vor allem im Bereich Sicherheit. So können Nothalteassistenten auf der Grundlage von Messwerten auf der Autobahn selbstständig den Standstreifen ansteuern und den Rettungsdienst alarmieren. Während Einparkhilfen in Modellen der gehobenen Preisklassen schon zum Standard gehören, setzt sich nach und nach auch der elektronische Fußgängerschutz durch. In den Volvo-Modellen S60 und V60 erkennen ein in den Fahrzeuggrill integriertes Radargerät und eine Kamera hinter dem Innenspiegel Fußgänger vor dem Fahrzeug. Im Notfall lösen sie eine Vollbremsung aus - allerdings erst, wenn der Fahrer optische und akustische Warnhinweise ignoriert und ein Ausweichen nicht mehr möglich ist.

Hier jedoch stoßen integrierte elektronische Systeme noch an ihre Grenzen. "Der Fahrer wird sich fragen, wie verlässlich diese Vorschläge sind und im Ernstfall vielleicht die falsche Entscheidung treffen", gibt Hubert Keller, Leiter der Gruppe Intelligente Sensorsysteme am Karlsruher Institut für Technologie, zu bedenken.

Risiken sieht der Experte auch bei der Vernetzung nach außen, etwa bei der sogenannten Car-to-Car-Kommunikation, wenn Autos während der Fahrt selbsttätig untereinander Daten austauschen. "Ein Unfall- oder Glatteiswarner für nachfolgende Fahrzeuge ist sicher nützlich, eröffnet aber auch Möglichkeiten zur Manipulation und kann damit zu sicherheitskritischen Situationen führen." Unter dem Strich werde der Nutzen im Sinne des Informationsgewinns aber immer weit größer sein.

Wie dies künftig aussehen kann, demonstriert Daimler in einem im Herbst vergangenen Jahres gestarteten Feldversuch auf bundesdeutschen Straßen. Ziel des Projekts "simTD" ist es, Fahrzeug-, Kommunikations- und Verkehrstechnologien zu einem ganzheitlichen System zu verknüpfen. Elektronische Warnsysteme und eine um externe Informationsquellen erweiterte Navigation sollen Verkehrssicherheit und Fahrkomfort erhöhen. Dabei kommt eine Funktechnologie zum Einsatz, die auf dem konventionellen WLAN-Standard beruht und Mobilfunktechnologien wie UMTS oder GPRS mit einbezieht. Jedes "simTD"-Fahrzeug nutzt eigene Sensoren, um für das Verkehrsgeschehen relevante Informationen zu generieren. Diese Informationen werden bei Bedarf an andere Fahrzeuge weitergegeben. Nähert sich ein Fahrer beispielsweise einer Baustelle, wird er vorab über die Streckengeometrie und die Verkehrslage in diesem Abschnitt in Kenntnis gesetzt. Dabei werden die fahrzeuginternen Daten durch externe, von einem Server berechnete und übertragene Streckendaten und Fahrprofile ergänzt. Auf diese Weise erhält der Fahrer umfassende Informationen zu Baustellenanfang und -ende sowie der aktuellen Verkehrslage inklusive der Durchschnittsgeschwindigkeiten.

Aus dem rollenden Computer wird in nicht allzu ferner Zukunft also ein rollendes Internet. Fahrzeughalter, denen angesichts solcher Aussichten die Sorgenfalten auf die Stirn treten, beruhigt der Harburger Software-Professor Möller: "Wie jede Technik, so hat sicher auch diese ihre Macken. Wir haben es hier aber nicht mit Teufelswerk zu tun, sondern einer richtigen und letztlich unaufhaltsamen Entwicklung."