In ihrer Glosse sinniert Daniela Pemöller diesmal über Oldtimer, Romantiker und Wertsteigerungen.

Hamburg. Deutschland im Oldtimer-Fieber. So viele H-Kennzeichen rollten noch nie über unsere Straßen. 210 000, das sind zwei Drittel mehr als noch 2001. Von einer Modeerscheinung sprechen die einen, von einem guten Investment die anderen. Das Vertrauen in Wertpapiere verloren, Immobilien so schnell vergriffen wie Gratiskarten zum Pink-Floyd-Konzert. Da bleibt den Dagoberts dieser Welt nicht mehr viel übrig, als Anlage-Asyl in der Garage zu beantragen. Mit Oldtimern - als Goldbarren auf Rädern. Schließlich winkt alljährlich hohe Wertsteigerung.

Doch wer den Oldie-Boom rein auf Rendite reduziert, hat nichts verstanden. Denn Oldtimer sind keine Laune, sondern eine Lebenseinstellung. Meist buttert man mehr rein, als man am Ende rausbekommt. Nichts also für nüchterne Reihenhauskalkulierer. Nein, hier sind Romantiker gefragt. Menschen, die was verstehen von Dingen, die schwerer wiegen auf der Waage des Glücks als alle Goldreserven in Fort Knox. Das versunkene Lächeln eines Bettlers vorm Altonaer Bahnhof etwa, das aus den Tiefen eines zerfurchten Lebens plötzlich an die Oberfläche ploppt wie eine verschollene Schatztruhe. Oder die Businessfrau im BMW Z4, die auf dem Glockengießerwall anerkennend nickt und ihre rot lackierten Daumennägel neidlos in die Höhe reckt, wenn meine Amazone von 1965 neben ihr hält. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich so durch Hamburg kurve. Weil ich Geschichten höre, die ich im Golf V oder einem Toyota Prius nie hören würde. Geschichten aus besseren Zeiten.

Als die Welt für die anderen noch in Ordnung war. Weil sie als Kind in "genau so einem Auto" auf der Hutablage liegend dem Himmel ein Stück näher rückten. Und so ein Oldtimer noch heute die Kraft besitzt, dem matten Blick eines alten Mannes neues Leben einzuhauchen. Wenn er sich verbal in seinem ersten Kuss verliert und vielem mehr - geschehen "in genau so einer Amazone". Es sind diese Dinge, die das Leben l(i)ebenswert machen. Nicht immer. Aber, wie es scheint, immer öfter.