Mancher Kunde legt für ein solches Fahrzeug bis zu 60 000 Euro auf den Tisch.

Hamburg. Sie sind nichts Halbes und nichts Ganzes - und gerade deswegen für manchen das Nonplusultra. Motorradgespanne zählen zu den seltensten und ungewöhnlichsten Fahrzeuggattungen. Zwar wurde die Kombination eines Zweirads mit einem an dessen Seite rollenden Wagen schon Ende des 19. Jahrhunderts erfunden. Doch zum großen Durchbruch ist es nie gekommen. Allerdings haben die einzigartigen Dreiräder über die Jahrzehnte eine feste Fangemeinde gewonnen. Und die ist oft bereit, erstaunliche Summen auszugeben.

Von der Stange ist so ein Dreirad kaum zu bekommen - meist handelt es sich um aufwendige Einzelkonstruktionen. Die Welt der Motorradgespanne ist so weit aus dem Blick der Öffentlichkeit geraten, dass es nicht einmal offizielle Zahlen gibt. Inklusive der Oldtimer unter den Gespannen sollen bundesweit etwa 40 000 Exemplare bewegt werden. Zum Vergleich: In Deutschland sind rund vier Millionen Motorräder unterwegs. Maximal 200 bis 250 Gespannumbauten von deutschen Herstellern rollen jedes Jahr erstmals auf die Straße, schätzt Falk Hartmann vom Bundesverband der Hersteller und Importeure von Krafträdern mit Beiwagen.

Auch wenn die Zahlen es kaum vermuten lassen - in der Szene ist so einiges los. Die Gruppe der Gespann-Bauer ist zwar mehr als überschaubar. Diejenigen, die sich mit dem Thema beschäftigen, haben aber oft überraschend viel zu tun: "Unsere Auftragsbücher sind bis in den April voll", erklärt zum Beispiel Peter Sauer, technischer Leiter bei Müller Gespanne in Brodersby (Schleswig-Holstein). Denn für die Liebhaber von Gespannen sind die geringen Zahlen und die damit verbundenen Möglichkeiten auch ein wichtiger Faktor: "Es gibt wohl kaum einen Bereich mit einem höheren Individualisierungsgrad als bei den Gespannen", sagt Michael Lenzen vom Bundesverband der Motorradfahrer. "Im Grunde ist kein Gespann wie ein anderes." Das bestätigt auch Peter Sauer: "Wir bauen seit 1980 Gespanne - in dieser Zeit hat kein Fahrzeug die Werkstatt verlassen, das mit einem anderen identisch ist." Und obwohl Gespanne so ein winziger Bereich sind, gibt es auch hier Trends: In manchen Phasen sind sportliche Modelle gefragt, mal steht das Thema Enduro im Vordergrund. Auch die Kaufgründe für ein Gespann sind unterschiedlich. Nicht selten wird so ein Dreirad gekauft, weil ein Motorradfahrer sein Hobby mit der Familie erleben will. Mal gibt aber auch ein vierbeiniger Begleiter den Ausschlag: Mancher Hundebesitzer greift zum Gespann, weil er seinen Vierbeiner im Beiwagen mit auf Tour nehmen will.

Ein wirklich billiger Spaß ist die Liebe zum Gespann nicht. "Für einen vernünftigen Umbau im Low-Budget-Bereich sollten etwa 10 000 Euro eingeplant werden", sagt Michael Lenzen. Der durchschnittliche Gespannfahrer legt aber weitaus höhere Summen auf den Tisch. "Meist sind es 40 000 bis 60 000 Euro", erklärt Peter Sauer. Das Motorrad selbst ist in diesen Summen enthalten. Dass es teurer geht, hat aber Sauer ebenfalls schon bewiesen - mit einer fahrbaren Designstudie auf Basis einer Harley-Davidson V-Rod. Die stand kürzlich für knapp 80 000 Euro zum Verkauf - als Gebrauchtfahrzeug.

Der Grund für die enormen Preise liegt neben den geringen Stückzahlen vor allem in dem hohen Aufwand. Denn einfach mal ein Beiboot ans Motorrad schrauben, das geht schon lange nicht mehr. Vielmehr müssen aktuelle Motorräder quasi in ein eigens angefertigtes "Korsett" eingepasst werden, damit die nötige Stabilität gewährleistet ist. Das Vorderrad wiederum wird in der Regel von einer aufwendigen Achsschenkellenkung geführt. Das Ergebnis ist ein Dreirad, dessen Fahrgefühl sich mit nichts vergleichen lässt: "So ein Gespann fährt sich anders als ein herkömmliches Motorrad und auch anders als ein Auto", erläutert Michael Lenzen. Kein Wunder, handelt es sich bei einem Gespann doch auch um "das einzige asymmetrische Landfahrzeug, das es gibt". Also eben nichts Halbes und nichts Ganzes - von beidem aber eine ganze Menge.