GM hat zusammen mit einem Partner für die Expo in Shanghai einen Blick in die automobile Zukunft gewagt. Ergebnis: Ein Ei mit zwei Sitzen.

Shanghai. Dagegen ist der Chevrolet Volt schon jetzt ein Oldtimer: Zwar ist die Elektrolimousine mit Reichweitenverlängerer noch gar nicht auf dem Markt, doch in der Vision der Vorausdenker von General Motors (GM) hat der Viersitzer schon bald wieder ausgedient. Zumindest in der Stadt gehört die Zukunft in ihren Augen kleinen, intelligenten, sauberen und autonomen Vehikeln, die wenig kosten, nicht viel Platz und vor allem keinen Sprit mehr brauchen. "Nur so können wir den globalen Verkehrsinfarkt verhindern", sagt Christopher Borroni-Bird, der bei GM die Zukunftsforschung leitet und für die Städte von morgen ein düsteres Szenario zeichnet: Wenn im Jahr 2030 auf der Erde tatsächlich einmal acht Milliarden Menschen leben, 1,2 Milliarden Autos fahren und sich 60 Prozent der Bevölkerung in den Städten ballen, dann wird es gehörig eng auf den Straßen.

Seine Antwort auf die drängenden Fragen von morgen ist keine rollende Verzichtserklärung. Sondern sie ist quietschbunt und trägt lustige Namen: Jiao, Miao und Xiao heißen die drei Studien, die General Motors jetzt gemeinsam mit dem chinesischen Kooperationspartner SAIC zur Weltausstellung in Shanghai ins Rampenlicht rückt. Sie sind die ersten Vorboten so genannter Electric Networked Vehicles (EN-V), die uns auch in den Städten der Zukunft mobil halten sollen.

Mit einem Auto, wie wir es heute kennen, haben die Zweisitzer nicht mehr viel zu tun. Viel eher erinnern sie an fahrende Ostereier oder futuristische Telefonzellen auf Rädern. Mit etwa 1,50 Metern so lang wie breit und dafür mit 1,60 bis 1,80 Metern fast mannshoch sind sie auf minimalen Platzbedarf getrimmt. Zwar reisen zwei Personen in ihnen so geräumig wie heute im Smart, doch brauchen sie viel weniger Verkehrsfläche: Ihre Fahrspur muss nur halb so breit sein, und auf einen normalen Pkw-Parkplatz bekommt man von ihnen fast ein halbes Dutzend.

Für den Antrieb der Studien hat General Motors Segway kooperiert: Wie die Stehroller fahren auch Jiao, Miao und Xiao nur auf einer Achse und halten mit Gyro-Sensoren automatisch die Balance. Für Vortrieb sorgen dabei zwei in den Rädern integrierte Elektromotoren, die auch das Bremsen und das Steuern übernehmen. Denn ähnlich wie Kettenfahrzeuge nutzen die EN-Vs unterschiedliche Radgeschwindigkeiten für ihren Richtungswechsel. So können sie quasi "auf dem Bierdeckel" drehen und sind damit allen anderen Stadtfahrzeugen um Längen überlegen - selbst ein Fahrrad hat einen größeren Wendekreis.

Weil die aus Karbon und Magnesium konstruierten und deshalb nur 400 Kilogramm schweren Studien allein für den Stadtverkehr konzipiert wurden, sind die Fahrleistungen vergleichsweise bescheiden: Zwar kommen die Motoren auf bis zu 500 Nm. Doch reichen zwölf PS für gerade einmal 40 km/h, und der Lithium-Ionen-Akku unter den Sitzen liefert nur Strom für etwa 40 Kilometer. Danach müssen die von Designern in Australien, Kalifornien und Europa ganz unterschiedlich gezeichneten Studien für bis zu acht Stunden an die Steckdose.

Zum Fahren von Jiao, Miao und Xiao sind Lenkrad und Pedale verzichtbar. Stattdessen nutzt der Fahrer wie bei einem Telespiel eine Konsole, um Tempo und Richtung vorzugeben. Und selbst das ist eigentlich überflüssig: Denn wie heute schon Forschungsfahrzeuge auf abgesperrtem Gelände sollen die EN-Vs zukünftig auch autonom fahren können. So kann man morgens auf dem Weg ins Büro die Zeitung lesen und sitzt schon am Schreibtisch, wenn das Auto noch seinen Parkplatz sucht. Zum Feierabend reicht dann eine kurze Nachricht übers Handy oder die Fernbedienung, schon holt das Auto seinen Fahrer wieder vor dem Büro ab.

Damit unterwegs nichts passiert und sich die Science-Fiction-Mobile nicht dauern in die Quere kommen, gibt es nicht nur jede Menge Umfeldsensoren. Es werden zudem alle Fahrzeuge über eine WLAN-Verbindung elektronisch miteinander vernetzt. Dieses Netzwerk nutzen die EN-Vs aber nicht nur zur Unfallvermeidung und zur Wahl einer staufreien Route, sondern auch zur Kontaktpflege. So können die Insassen auf Wunsch jederzeit verfolgen, wo Freunde unterwegs sind oder sich gerade die Clique heute trifft.

Natürlich sind die elektrischen Ostereier aus Shanghai noch meilenweit von der Serienreife entfernt. Doch glauben die Amerikaner felsenfest an dieses Konzept, sagte der chinesische GM-Statthalter Kevin Wale: "Durch die Verbindung von Elektroantrieb und moderner Kommunikationswelt ist ein komplett verändertes automobiles Genmaterial entstanden. Das ist die ideale Lösung für die urbane Mobilität der Zukunft - ohne Kraftstoff und Emissionen, ohne Staus und Unfälle, dafür mit umso mehr Fahrspaß. Damit erfinden wir das Auto neu."