Wer beim Rangieren sein Umfeld im Blick haben will, muss nicht unbedingt aus dem Fenster schauen. Der Monitor zeigt alles.

Hamburg. Ein Knopfdruck genügt, und schon sieht man die Welt aus einem anderen Winkel. Denn mit dem Siegeszug der Elektronik im Auto halten immer mehr Kameras Einzug und machen den Fahrer zunehmend zum TV-Regisseur. Was vor gut zehn Jahren mit der ersten Rückfahrkamera begann, ist zur visuellen Rundumüberwachung geworden, die hinterm Lenkrad viele neue Perspektiven bietet.

Und das ist nach dem Willen vieler Ingenieure nur der Anfang. Wie weit der elektronische Blickwinkel mittlerweile geworden ist, sieht man zum Beispiel am neuen VW Touareg. Für ihn gibt es nach Angaben von Pressesprecher Jochen Grüten erstmals ein Umfeldbeobachtungssystem, das den Namen "Area View" trägt. Dafür kombinieren die Ingenieure je zwei Kameras in den Außenspiegeln, in der Heckklappe und im Kühlergrill und übertragen diese Bilder auf den zentralen Touchscreen in der Mittelkonsole. So kann man etwa beim Fahren in schwerem Gelände millimetergenau rangieren und seinen Weg zwischen Geröllbrocken und Baumstämmen finden. Außerdem behält der Fahrer im Gespannbetrieb damit den Anhänger im Blick.

Ähnliche Lösungen gibt es bei den Geländewagen von BMW sowie der Nissan-Schwestermarke Infiniti. Sie alle haben - zum Teil gegen Aufpreis - bis zu vier Kameras an Bord, deren Bilder von der Elektronik so zusammengefügt werden, dass man seinen Wagen aus der Vogelperspektive sieht. "Teure Schrammen von Blumenkübeln oder Mauervorsprüngen im toten Winkel sind damit beim Einparken passé", sagt Infiniti-Sprecherin Nathalie Greve.

Noch einen Schritt weiter geht Land Rover beim Discovery. Nach der Überarbeitung gibt es ihn im neuen Modelljahr nach Angaben von Pressesprecher Paul Entwistle mit einem optionalen Surround-Kamerasystem. "Es besteht aus nicht weniger als fünf Digitalkameras, die eine Ansicht von fast 360 Grad auf den Touchscreen übertragen", erläutert Entwistle. Die Kameras schalten sich automatisch mit dem Start des Fahrzeuges ein und können bis 18 km/h verwendet werden. Dabei kann der Fahrer mit einem Fingerzeig jede Kamera einzeln auswählen und die Aufnahme sogar heranzoomen. Das System empfehlen die Briten nicht nur für schwere Offroad-Passagen, sondern auch für den Einsatz mit Anhänger. Denn damit kann man laut Entwistle einen Wohnwagen oder Pferdetrailer nicht nur ohne Einweiser problemlos an den Haken nehmen. Wer ohne Übung mit Anhänger rangieren muss, sieht auch auf den elektronisch entzerrten Bildern der Weitwinkelkameras dank zusätzlicher Hilfslinien genau, in welche Richtung sich das Gespann bewegen wird.

Die Autohersteller nutzen die Kameras allerdings nicht nur zur Überwachung beim Parken und Rangieren, sondern auch für Assistenzsysteme während der Fahrt. In Modellen wie dem Opel Insignia, der Mercedes E-Klasse oder dem BMW 7er zum Beispiel liest das Videoauge die Verkehrsschilder und blendet die aktuellen Tempolimits zwischen Tacho und Drehzahlmesser ein. Und ebenfalls bei Mercedes und BMW oder im neuen Audi A8 bilden die Kameras mithilfe von Infrarottechnik das Herzstück von Nachtsichtsystemen.

Am liebsten würden die Entwickler mit den Video-Augen sogar die Rückspiegel ersetzen und machen das bei mittlerweile jeder zweiten Designstudie schon einmal vor. "Das sieht zwar schmuck aus und ist obendrein gut für den Luftwiderstand", sagt Audi-Entwickler Thomas Kräuter. Er hat als Projektleiter so eine Lösung auch im Elektro-Sportwagen E-Tron eingebaut. Doch sonderlich überzeugt ist er davon noch nicht. "Erstens kann man auf den Monitoren im Innenraum bei Sonnenlicht kaum etwas erkennen. Und zweitens ist die Technik bislang noch nicht zulassungsfähig." Eine Zeit lang wird der Fahrer die Welt also noch mit eigenen Augen sehen müssen.