Ein Praxistest ergab Abweichungen von bis zu 46 Prozent - und das auch bei Spritsparmodellen.

Hamburg. Vier Liter Verbrauch auf 100 Kilometern - heutzutage durchaus keine Seltenheit mehr, wenn man den Angaben der Autohersteller glaubt. In der täglichen Praxis allerdings kommen Autofahrer in den allermeisten Fällen auf deutlich höhere Werte. Vor allem bei Spritsparmodellen wird geschummelt, auch Elektroautos sind nicht so genügsam wie behauptet. Entsprechende Ergebnisse dokumentiert die Zeitschrift "Auto Bild" in ihrer aktuellen Ausgabe. Unter 100 getesteten Pkw zeigt der Ford Fiesta in der Spritsparversion mit 1,6-Liter-Dieselmotor die deutlichste Abweichung vom Norm- zum Realverbrauch. Statt des Herstellerversprechens von 3,7 Liter/100 km fließen 5,4 Liter durch die Zylinder - ein Unterschied von rund 46 Prozent. Experten fordern seit Längerem genauere und praxisnähere Verfahren für die Verbrauchsmessung.

Ermittelt werden die Werte nach dem neuen europäischen Fahrzyklus, bei dem auf einem Rollenprüfstand eine schleichend langsame Testrunde simuliert wird. Die Prozedur ist exakt definiert: Nach Richtlinie 80/1268/EWG und der Regelung 101ECE durchläuft jedes Auto theoretisch eine elf Kilometer lange Prüfrunde. In diesem Zyklus beschleunigt das Modell im ersten Abschnitt mehrfach auf Tempo 50, im zweiten Teil bis maximal 120 km/h. Die "Fahrt" dauert exakt 1180 Sekunden, auch das Durchschnittstempo ist mit exakt 33,6 km/h immer gleich. Dabei wird nie stark beschleunigt, Vollgas gibt es nicht, stärkere Verzögerungen oder Bremsmanöver sind nicht vorgesehen. Ähnlich unrealistisch sehen die Testbedingungen aus: Es herrscht Labortemperatur (20 bis 30 Grad), Tankfüllung (90 Prozent), Luftdruck und Luftfeuchtigkeit sind festgelegt. Der Verbrauch wird nicht direkt gemessen, sondern aus den emittierten Abgasen (inklusive Kaltstart) errechnet. Das Fahrprogramm legt für alle Autos fest, wann geschaltet und wie weit das Gaspedal durchgetreten wird, wie warm Maschine und Außenluft sein müssen - nur so entstehen vergleichbare Werte. Aber keine realistischen.

Im harten Alltag wird der Motor stärker gefordert. Beim Kaltstart saugen Klimaanlage, Licht und elektrische Verbraucher weiter Kraft - auf dem Prüfstand bleibt das alles aus. Aber solange Vorschriften nicht verschärft werden, bleibt es bei den allenfalls theoretischen Angaben. Insgeheim wünschen sich Techniker sogar praxisnähere Normen, "um Kunden nicht weiter mit untertriebenen Zahlen zu verunsichern", bestätigen Auto-Entwickler unter der Hand.

Anders als beim Laborversuch der Autohersteller hat die "Auto Bild"-Testmannschaft den Durchschnittsverbrauch deutlich praxisnäher ermittelt. Unter realistischen Verkehrsverhältnissen und mit höherem Spitzentempo. Die Testrunde bestand aus 40 Kilometer Stadtverkehr, 61 Kilometer Landstraßen und 54 Kilometer Autobahn zwischen Hamburg und Lübeck. Dabei wurde das Fahrzeug zügig, aber nicht sportlich bewegt, maximal mit mittleren Drehzahlen. Die Tempolimits wurden strikt eingehalten. Den Autobahnabschnitt absolvierten die Tester größtenteils mit 120 km/h, auf rund 20 Kilometer mit Vollgas.

Um den Verbrauch ganz exakt zu erfassen, wurde der Wagen sowohl am Anfang als auch am Ende der Strecke randvoll getankt, danach aus der entsprechenden Benzinmenge der genaue Durchschnitt errechnet.

Ernüchterndes Fazit der Tester: Die Angaben der Hersteller liegen im Schnitt rund 30 Prozent unter den "echten" Werten. Ratschlag für Autokäufer: Ungefähr ein Drittel hinzuzählen - dann passt es.