Wer versteckt sich eigentlich hinter Mandy, Uschi, oder der Tante? Schauspielerin Iris Mayer gibt den Navigations-Anweisungen eine Stimme.

Hamburg. Wenn Iris Mayer sich an der Sprechanlage ihrer Haustür meldet, könnte sie statt "Guten Tag" ebenso sagen: "Sie haben Ihr Ziel erreicht." Mit großer Wahrscheinlichkeit hat der Besucher diesen Satz von ihr schon mal gehört, denn Iris Mayer hat ihn schon millionenfach gesagt. Nicht live, sondern aus der Konserve, in Zigtausenden von Navigationsgeräten: Sie ist eine der wenigen Frauen hierzulande, die Anweisungen des digitalen Pfadfinders im Tonstudio einspricht.

Autofahrerinnen und -fahrer haben der für sie unsichtbaren Frau schon zahlreiche Namen gegeben. Für die einen ist sie die "Uschi", für andere die "Jacqueline" oder einfach nur die "Tussi, die immer alles besser weiß". Auf jeden Fall ist sie eine der Frauen, die in Deutschland sagen, wo es langgeht; ob nun im Audi oder BMW, bei Opel und anderen Herstellern.

Alles begann mit einem Anruf der phonetischen Abteilung der Universität München vor etwa zehn Jahren. Die Wissenschaftler suchten im Auftrag des Navi-Herstellers Siemens VDO nach einer angenehmen Stimme. "Ich dachte, das ist ein Witz. Als ich zu der angekündigten Sprechprobe erschien, führte man mich in einen dunklen Raum mit einem abgewetzten Ledersessel. Ich fragte erst einmal, wo die versteckte Kamera ist." Einige Wörter und Satzfetzen wurden in dem Stimm-Casting aufgenommen, nach einer halben Stunde war alles erledigt.

Iris Mayer ist eine freundliche Mittvierzigerin, deren beruhigendes Timbre auch für die Beschwerdestelle des örtlichen Energieversorgers geeignet wäre. Man braucht nicht unbedingt Autofahrer zu sein, um dieser Stimme zu begegnen. Zuschauern des Bayerischen Regionalfernsehens war der weiche Klang viele Jahre vertraut, denn als freie Mitarbeiterin des Senders sprach sie häufig Texte zu Filmbeiträgen der "Abendschau". Eigentlich ist sie Schauspielerin von Beruf, aber zu sehen hat sie schon lange niemand mehr gekriegt.

Nach der seltsamen Begegnung in der Universität geschah einige Wochen lang nichts. Dann kam die Mitteilung: "Siemens hat sich für Sie entschieden", und kurze Zeit später entstanden die Aufnahmen, die zur Basis für die Navi-Befehle wurden. Zwei Stunden lang wurde aufgezeichnet, kontrolliert, verworfen und wieder neu gespeichert. Nie hatte sie ganze Sätze zu sprechen, stets nur Bruchstücke wie "weiter vorn", "zweite Straße links", "im Kreisverkehr" und was die Routenführung sonst noch beherrschen muss. Erst die Streckenberechnung nach der Zieleingabe des Fahrers fügt die digital gespeicherten Fetzen zu einer logisch funktionierenden und zusammenhängenden Befehlskette zusammen. Die ersten Navi-Computer hatten einen Wortschatz von 500 Begriffen, bei modernen Geräten sind es inzwischen nicht selten 30 000.

Klar, dass Iris Mayer im Zuge des technischen Fortschritts weitere Male gebucht wurde, um den Wortschatz der Systeme zu ergänzen. "Damals bin ich viel unterwegs gewesen. Hin und her zu den Studios fliegen, das ist heute ganz anders." Für die Sprachmenü-Führung des Telefonsystems einer amerikanischen Firma hat sie vor drei Jahren einmal Aufnahmen gemacht. "Aber nicht in Amerika, das ging alles per Standleitung. Ich war in München, mein Regisseur in Atlanta."

Obwohl Münchnerin, holt sie die rustikale Sprachfärbung der Einheimischen nur bei Bedarf hervor. Ihr lupenreines Hochdeutsch verdankt sie ihrem Elternhaus ("Da war Dialektsprechen verpönt") und der Sprachausbildung auf der Schauspielschule. An ihre Präsenz als Stimme eines Navigationsgerätes wird sie häufiger erinnert: Erst neulich habe eine ehemalige Kollegin vom Bayerischen Rundfunk angerufen, berichtet Iris Mayer. Und begrüßte sie mit den Worten: "Vielen Dank, dass du uns so gut nach Neapel gebracht hast."