Seit mehr als 75 Jahren ist der Airstream erfolgreich. Den Leichtbau-Wohnwagen gibt es auch in einer speziell für Europa gefertigten Version.

Hamburg. In den USA sind die rollenden Unterkünfte der Wohnwagenschmiede Airstream geradezu legendär. Seit mehr als 75 Jahren werden die besonders leichten Anhänger über die Straßen gezogen - zu erkennen an ihrem silberfarbenen Aluminiumgehäuse und ihrer Stromlinienform. Seit zwei Jahren vertreibt nun die Firma Roka die "silbernen Zigarren" in speziell für den europäischen Markt gebauten Versionen auch in Deutschland (Info: www.airstream-germany.de ). Der Einstiegspreis für die exklusiven Caravans startet bei 54 585 Euro.

Die Idee für die rollenden aerodynamischen Unterkünfte wurde im Jahr 1929 geboren, als der Amerikaner MerleByam, genannt Wally, das Fahrgestell eines Ford Model T an sein Auto hängte, auf einen Campingplatz fuhr und dort sein Zelt auf der Plattform aufbaute. Da dies allerdings nicht sonderlich komfortabel war, wie vor allem Ehefrau Marion fand, suchte Byam nach einer anderen Lösung und baute auf dem Fahrgestell eine Dauerunterkunft. Diese war tränenförmig gestylt und verfügte über einen Kerosinofen und einen kleinen Kühlschrank.

Wie fast alle Wohnwagen zur damaligen Zeit war auch Byams Caravan recht simpel aus Leinwand und Sperrholz gebaut. Die positive Echo seiner Frau auf die rollende Behausung war dann auch mit dafür verantwortlich, dass er unter der Überschrift "Wie man für 100 Dollar einen Wohnwagen baut" einen Artikel über seinen Selbstbau im Magazin "Popular Mechanics" verfasste. Die Leser verlangten nach weiteren Infos und einer detaillierten Bauanleitung. Der Herausgeber des Magazins bat ihn, eine solche Anleitung für zehn Cent pro Stück zu verschicken. Byam, typisch Geschäftsmann, veröffentlichte stattdessen eine Anzeige im "Popular Mechanics". Dort bot er sein "vervielfältigtes Büchlein mit Zeichnungen" zum Nachbau seines Wohnwagens für einen Dollar das Stück an. Eine lohnende Idee: Das große Interesse seiner Mitbürger brachte ihm rund 15 000 Dollar ein - für damalige Zeiten eine schöne Stange Geld.

Eines Tages fragte ihn ein handwerklich wenig geschickter Nachbar, ob Byam ihm einen Wohnwagen bauen könnte. Kaum war der Caravan fertig, wollte der nächste Nachbar ebenfalls ein Exemplar haben. Das Geschäft entwickelte sich, 1932 standen die ersten Wohnwagen zum Verkauf. Wally nannte sie "Airstream" - denn, so seine Erklärung, sie bewegen sich auf der Straße wie ein Luftzug - "like a stream of air". Das Wohnwagen-Geschäft boomte - 1932 gab es in Amerika 48 Hersteller, fünf Jahre später lag ihre Zahl bei mehr als 400. Aber lediglich Airstream hat bis heute überlebt.

Der clevere Firmengründer verkaufte in den ersten Jahren komplett ausgestattete Wohnwagen, seine Bauanleitungen und Bausätze. 1935 übernahm er die "Bowlus-Teller Trailer Company". Deren Begründer, von Beruf Luftfahrtingenieur, konstruierte seine stromlinienförmigen Wohnwagen wie ein Flugzeug ohne Flügel: ein Monocoque aus Aluminiumrohr, beplankt mit genieteten Aluminiumtafeln. Resultat dieses Konstruktionsprinzips ist eine hohe Stabilität bei gleichzeitig geringem Gewicht. Byam nahm kleine Veränderungen am Grundkonzept vor. Die Tür etwa wanderte von der Frontpartie an die Seite, da der Einstieg über die Deichsel doch etwas unbequem war. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte gab es aber nur fünf Änderungen im Design der Airstreams. Bis heute ist durch alle Modellgenerationen die Familienähnlichkeit augenfällig.

Als bekennender Perfektionist versuchte Byam die Mängel, die ihm von Kunden mitgeteilt wurden oder die er selbst auf seinen Reisen bemerkte, abzustellen. Sein Wahlspruch: "Wir machen keine Veränderungen - nur Verbesserungen." Der Zweite Weltkrieg stoppte die Produktion. Nach dem Krieg gründete er die Airstream Trailers Inc. - und die Erfolgsgeschichte setzte sich bis in die Gegenwart fort.

Noch heute wird jedes Modell nach den Regeln der ersten Airstream-Erbauer gefertigt. Aluleisten und die Rippenstruktur werden sorgfältig von Hand mit mehreren tausend Nieten befestigt. Ergebnis ist ein leichter und stabiler Aufbau, der sich auch ohne zusätzlichen Rahmen selbst trägt. Zuerst werden der Schalenrumpf und das Fahrgestell montiert. Bevor Innenhaut und Möbel eingebaut werden, testet die Firma in einem Windkanal jedes Fahrzeug auf Wasserdichtigkeit. Dadurch kann jedes Leck erkannt und behoben werden. Und: Alle Teile, von Möbeln bis zu Geräten, gelangen durch die Tür in den Caravan. So ist jedes Teil auch bei Reparaturen leicht zugänglich und kann einfach ersetzt werden. Derart gerüstet, werden die Airstreams wohl noch lange über die Straßen der Welt rollen, ganz im Sinne Wally Byams: "Abenteuer ist überall dort, wo du es suchst, an jedem Ort, außer zu Hause in deinem Schaukelstuhl."