Der Routenfinder der Zukunft soll sogar erahnen können, wohin die Reise geht.

Hamburg. Das technisch immer weiter aufgerüstete Handy kann inzwischen mehr als ein Laptop, der Kühlschrank hat eine Verbindung ins Internet, und der Fernseher lässt jeden Computer alt aussehen. Nur im Auto wirkt die Unterhaltungselektronik bisweilen wie von gestern. Dafür gibt es zwar nach Einschätzung von Mercedes-Entwickler Ralf Guido Herrtwich gute Gründe - etwa unterschiedliche Entwicklungszyklen und unzureichende Übertragungsraten im mobilen Datenverkehr. Doch die Autoindustrie will aufholen: Navigationsgeräte sollen bald weiter vorausblicken, Infotainment-Systeme öfter online sein und die Bedienung leichter werden.

Außerdem lernt das Auto sogar sprechen. So will Mercedes alle Navigations- und Infotainment-Funktionen ins Internet auslagern und im Auto nur noch ein Anzeige- und Bediensystem bereitstellen. Mit der für das Jahr 2015 avisierten Vision "myCommand" können die Entwickler laut Herrtwich nicht nur besser mit kürzeren Entwicklungszyklen der Unterhaltungsindustrie Schritt halten, sondern auch zusätzliche Funktionen anbieten. Die Navigation zum Beispiel sei aktueller und informativer, weil neben den neuesten Karten auch aktuelle Satellitenbilder und Fotos eingeblendet werden können. Außerdem ließe sich die Karte mit Datenbanken verknüpfen, über die etwa aktuelle Benzinpreise an Tankstellen oder die Zahl freier Parkplätze in einer Tiefgarage angezeigt werden können. Das Musikprogramm überträgt alle Stationen, die Webradios ausstrahlen, man telefoniert preisgünstig mit "Voice over IP" und surft auf dem Rücksitz im Internet.

Einen anderen Ansatz zur Synchronisation der Entwicklungszyklen verfolgt der Zulieferer Continental mit der Software-Architektur "AutoLinQ". Sie soll das Fahrzeug über das Mobiltelefon mit dem Internet verknüpfen und Inhalte und Dienste in den Wagen holen. Gleichzeitig sehen die Entwickler den umgekehrten Weg: "Dank AutoLinQ werden Autofahrer über ihr Handy bestimmte Fahrzeugfunktionen überwachen und steuern sowie den Fahrzeugstatus kontrollieren können", verspricht Continental-Sprecher Enno Pflug. Das Navigationssystem soll künftig sogar bei der Steuerung des Fahrzeugs helfen, kündigt BMW-Sprecherin Katherina Bölsterl an: Mit einem vorausschauenden Fahrstil könnten etwa bei einem Hybridantrieb die Akkus vor einer Gefällestrecke entladen oder beim Benziner die Leistung zur Autobahnauffahrt hin erhöht werden.

Damit man die neuen Angebote während der Fahrt überhaupt nutzen kann, hält im Auto eine neue Anzeigetechnik Einzug: der "Dual-View"-Bildschirm, den es nun in der Mercedes S-Klasse und bald auch im neuen Jaguar XJ geben wird. Eine optische Maske trennt die Anzeige so, dass zwei Personen auf demselben Monitor unterschiedliche Bilder sehen können, erläutert Jaguar-Technik-Chef Mike Mohan: Während der Fahrer die Landkarte des Navigationssystems betrachtet, schaut der Sozius "Pretty Woman" - den Ton gibt's über Kopfhörer. Je mehr Funktionen die Infotainment-Systeme bieten, desto komplizierter wird allerdings deren Bedienung.

"Die Zukunft bei der Bedienung gehört der Sprachsteuerung", glaubt BMW-Entwickler Alexander Huber. Im Stand mögen Tasten und Drücker die beste Lösung sein. Doch sobald das Auto fährt, gehörten die Hände ans Lenkrad. BMW hat deshalb die Sprachbedienung verbessert und zum neuen Modelljahr die sogenannte "One Shot"-Eingabe eingeführt. Einmal per Knopfdruck am Lenkrad aktiviert, kann damit zum Beispiel das Ziel für die Routenführung in einem Satz aufgesprochen werden, ohne dass man sich mühsam durch den Befehlsbaum mit Ort, Straße und Hausnummer hangeln muss. Dass es bald vielleicht sogar ganz ohne Zieleingabe geht, will BMW-Entwickler Robert Hein beweisen. Er hat das Navigationssystem so programmiert, dass es anhand eines individuellen Bewegungsprofils mit wachsender Wahrscheinlichkeit erahnen kann, wohin die Reise geht.

Und die Entwickler haben noch mehr in petto: Beim Mini geht im Sondermodell "Camden" die sogenannte "Mission Control" in Serie, die auf 120 Ereignisse während des Fahrens mit 1500 Kommentaren reagiert. Dabei reicht das Repertoire des virtuellen Beifahrers von der Begrüßung über die Erläuterung der Start-Stopp-Automatik bis hin zum Hinweis: Vergiss nicht die Parkuhr. "Natürlich klingt das wie eine Spielerei", räumt Entwickler Fabrice Baradoux ein. Doch sei der Smalltalk aus dem Handschuhfach mehr als leeres Geschwätz. "Wer sich daran hält, fährt sparsamer und sicherer."