Der ehemalige VW-Chefdesigner Murat Günak entwickelt jetzt in der Schweiz sein eigenes Auto - ein Hybrid-Coupé.

Luzern. Es war eine Autodesigner-Karriere wie im Traum. 1957 in Istanbul als Sohn eines Arztes geboren, studierte Murat Günak zunächst an der Kunsthochschule Kassel, ehe ihn das Londoner Royal College of Art zum "Master of Automotive Design" ernannte. Es folgten Stationen bei Ford und Daimler-Benz, bis es für ihn 1994 als Designchef von Peugeot/ Citroën erstmals auf der Leiter nach oben ging. Der Peugeot 206 CC, Vater aller Klappdach-Cabrios, ist ein Günak-Produkt. 1998 kehrte Günak zu Mercedes zurück, wo er unter anderem den CLS gegen anfängliche Widerstände durchboxte.

2003 dann der Aufstieg auf den Design-Olymp: Als Vizepräsident war der Deutsch-Türke verantwortlich für alle Marken des VW-Konzerns - von VW über Skoda bis zu Bentley. Wie prägend die Ära Günak in der Rückschau war, zeigen die unter seiner Ägide entstandenen Modelle Eos, Passat CC, Tiguan und der demnächst in Genf debütierende neue Scirocco. Doch die Wachlösung von Bernd Pischetsrieder zu Martin Winterkorn an der VW-Spitze war auch das Ende für Chefdesigner Günak. Denn der "Herr der Ringe" brachte seinen Liebling Walter de Silva von Audi mit.

Nun residiert Günak als Chef der neu gegründeten Schweizer Mindset AG im noblen Luzerner Vorort St. Niklausen. Trotz seiner 50 Jahre wirkt er unverändert jungenhaft und voller Tatendrang. Was den "Aussteiger" treibt, ist der "überholte Mobilitätsgedanke in den großen Unternehmen". Das Motto heiße: immer stärker, teurer, schneller, durstiger, beklagt der einst auch für den Maybach zuständige Designer. Und fügt hinzu: "In den großen Unternehmen gibt es kaum Freiräume für wirkliche Innovationen, dazu sind sie viel zu sehr dem Massengeschmack verpflichtet."

Was aber dabei herauskommt, wenn ein nunmehr grün eingefärbter Starstylist mit einem kleinen Team ein "politisch korrektes Auto" entwickelt, posiert noch in einem Glaskasten hoch über dem Vierwaldstättersee. Ein Hybrid-Coupe, mit einem verglasten Kammheck wie einst am Alfa Giulia TZ von Zagato und einem Hauch Porsche 928 im Bereich der Türen. Günak weiß, dass auch für ein Ökomobil Akzeptanz nur über die Ästhetik zu wecken ist. Daher die Entscheidung für die überall beliebte Coupe-Form und einen 2+2-sitzigen Innenraum mit durchgehender vorderer Sitzbank sowie edlen Materialien statt Hartplastik.

Seine ganz eigene, gleichwohl durchaus diskussionswürdige Ästhetik erhält der Schweizer Hybride jedoch durch seine umgreifenden Dach-Glasteile und die großen 22-Zoll-Räder mit schmalen 155er-Reifen. Sieht aus wie bei einem Traber-Sulky, zumal die Hinterräder auch noch frei stehen und die Bodenfreiheit größer als gewöhnlich ist.

Das Antriebskonzept ähnelt den 2007 von General Motors gezeigten Studien Chevrolet Volt und Opel Flextreme. Herzstück ist ein seriales Hybridsystem, bei dem die Lithium-Ionen-Batterie eine Reichweite von mehr als 100 Kilometern erlaubt. Im Hybridmodus wird ein 24 PS starker Zweizylinder-Benziner zugeschaltet, der als Generator die Batterie auflädt. Dieser "Freedom pack" genannte Reichweitenverbesserer erhöht den Aktionsradius auf gut 800 Kilometer. Verlangt die Batterie nach neuem Saft, geht das im "Plug-in"-Verfahren über die Steckdose in der Garage.

Günaks Zeitplan ist eng gesteckt: Voll funktionsfähige Prototypen sollen im Herbst 2008 rollen (derzeit findet man auf YouTube schon ein Video der fahrbereiten Rohkarosse), der Marktstart ist für die zweite Hälfte 2009 geplant. Gebaut werden soll der Mindset 1 in einem Jahresvolumen von zunächst 10 000 Exemplaren bei einem Karosseriebauer wie Pininfarina, Bertone, Karmann oder Magna - Verhandlungen laufen bereits.

Dass der Preis nicht unter 50 000 Euro zu drücken ist, liegt laut Günak vor allem an der noch immer teuren Batterie. Bleibt abzuwarten, ob statusbewusste Zweitwagenkäufer statt eines BMW Z4 oder Porsche Boxster künftig zu dem auch für städtische Sperrzonen zugelassenen Sportcoupe greifen. Der leicht hochbeinige Auftritt und eine Höchstgeschwindigkeit von nur 140 km/h verlangen durchaus eine Neujustierung des automobilen Gewissens.


Technische Daten

2+2-sitziges Coupe mit Aluminium-Spaceframe-Rahmen und Verbundwerkstoff-Karosserie, Vorderradantrieb, Hybridantrieb mit Bremsenergie-Rückgewinnung und 24 PS starkem Zweizylinderbenziner, Länge 4,20 Meter, Radstand 2,76 Meter, Gewicht rund 900 Kilo, Reifen 155/60 R 22, Höchstgeschwindigkeit 140 km/h, 0 bis 100 km/h in rund 7 Sekunden, Verbrauch 3,8 Liter/100 km bei 120 km/h, CO2-Ausstoß: 0 g/km lokal, im gemischten Betrieb 14-70 g/km je nach Stromquelle, Listenpreis: um 50 000 Euro.