Hamburg. So fühlt es sich also an, das schlechte Gewissen. Regungslos sitze ich auf dem weinroten Kunstledersitz meines alten Schweden und weiß nicht, was ich sagen soll. Wie erklärt man einen Seitensprung? Wie das kräftige Klopfen in meiner Brust, das zum ersten Mal seit fünf Jahren nicht ihm gilt?

Meine Hände gleiten verlegen über das zierliche Bakelit-Lenkrad. Können wir nicht einfach so tun, als sei nichts passiert? Schmollendes Schweigen. Zögerlich lege ich den Gang ein, drücke zärtlich das Gaspedal nach unten. Er braucht ein wenig, bis er sich bewegt. Ich öffne meinen Mund, will um Verzeihung bitten.

Doch statt klarer Worte verfangen sich nur Klangfasern der Stille vor meinen Lippen. Ich schlucke und wechsele in den zweiten, dann den dritten Gang. Doch irgendwie kommen wir nicht so recht in Fahrt an diesem Tag. Die Zylinder laufen so vorhersehbar und vertraut wie der "Tatort" am Sonntagabend. Mit flauem Gefühl im Magen denke ich an das Kribbeln und die Leidenschaft vom vergangenen Wochenende.

An den rassigen Roadster, den BMW 328, der mich verführte. Sein feuriger Wille, seine fulminante Kraft, die mein Blut in Wallung brachte. Noch spüre ich den Wind in meinen Haaren, rieche den Duft von Eichenwäldern und feuchten Feldern, gepaart mit herbem Motoröl. Brrrröööögggh. Wie hemmungslos der Bayer brüllte, als ich lasziv mit ihm spielte. Dann dieser Hüftschwung: kurz und knackig in der Kurve. Potenz pur. Mein Herz hüpft auf der Überholspur ins Reich der Träume.

Ein Golf hupt mich zurück in die Realität. Was ist nur los mit mir, frage ich mich. Seit wann stehe ich auf die schnelle Nummer? Jahrelang liebe ich das Bodenständige, Verlässliche. Und plötzlich giere ich nach Glamour - wie oberflächlich. Mein Hirn rattert im reduzierten Rhythmus des Amazonen-Blinkers. Ja, der 328 war großes Kino. Eine Art Oscar-Verleihung, während mein Amazon mehr dem Hamburger Filmfest gleicht. Las Vegas ist auch aufregend und trotzdem möchte man da nicht wohnen. Ich brause ins Blaue der Nacht. Auf Höhe der Kennedybrücke hält ein Münchner Mercedes-Fahrer neben mir und ruft: "Ihr zwei seid aber ein hübsches Paar." Ich denke: Recht hat er, der Bayer.