Berlin. Das Mittelmeer im Thermostress: Wassertemperaturen bis 30 Grad schädigen marine Ökosysteme massiv. Das sagen führende Wissenschaftler.

Eine Quallen-Invasion vergällt Urlaubern auf Mallorca gerade den Badespaß. Vor der Ostseeküste der Balearinsel tummeln sich die Nesseltiere. Den Sprung ins Wasser bezahlte so mancher Tourist mit schmerzhaften Begegnungen mit Feuerquallen. Am Strand von Cala Millor säßen viele weinende Kinder, die Apotheken verkauften reihenweise Medikamente gegen Verbrennungen, hieß es in einschlägigen Gruppen in den sozialen Netzwerken.

"Quallen sind die Gewinner des Klimawandels und es kann zum Massenauftreten kommen, wenn die oberflächlichen Wasserströmungen die Tiere zusammentreiben", beschreibt Professor Christian Wild von der Arbeitsgruppe Marine Ökologie der Universität Bremen die Lage.

Klimawandel: Muscheln, Korallen und Seegräser besonders gefährdet

Die fortschreitende Erwärmung des Mittelmeers macht anderen Lebewesen dagegen schwer zu schaffen. Stein-, Weich-, und Hornkorallen, Muscheln, Seesterne, Seeigel und Schwämme sowie unter den Pflanzen, vor allem Seegräser, reagierten besonders empfindlich auf sich verändernde Bedingungen im Mittelmeer, erklärt Wild. "Bei sehr hohen Wassertemperaturen, die mit ruhigem Wetter und hohen Nährstoffkonzentrationen verknüpft sind, kann es zum Massensterben von Fischen und wirbellosen Tieren kommen", ist der Meeresbiologe überzeugt.

Die Messergebnisse an unterschiedlichsten Standorten im Mittelmeer sind eindeutig: Höher als diesen Juli war die Wassertemperatur noch nie. Die durchschnittliche Oberflächentemperatur des Wassers beträgt demnach aktuell knapp 29 Grad Celsius. Das ist der höchste jemals gemessene Wert, der deutlich um zwei bis vier Grad über die Werte der vergangenen Sommer hinausgeht. Nur im Hitzesommer 2003 wurde ein ähnlich hoher Mittelwert gemessen. Im August dürfte die Temperatur sogar noch weiter ansteigen.

Invasive Arten im Mittelmeer auf dem Vormarsch

Die hohen Temperaturen können nach Ansicht von Wissenschaftlern nicht nur den endemischen, also den im Mittelmeer heimischen Arten, massiv schaden, sondern noch weitere unliebsame Auswirkungen haben. "Mit den steigenden Temperaturen verändert sich auch die Verteilung der Arten. Eingeführte Arten gelangen durch den Suezkanal und finden im überhitzten Mittelmeerraum gute Bedingungen vor. Einige von ihnen wurden zu invasiven Arten", erklärt Joaquim Garrabou vom Spanish National Research Council (CSIC). Als Beispiel nennt Garrabou den Kaninchenfisch. Die invasive Art fresse die Algenteppiche im östlichen Mittelmeer. "Wo es früher dichte Algenwälder gab, haben wir jetzt Unterwasserwüsten", so Garrabou.

Für die Ozeanographin Katrin Schroeder vom italienischen Institute of Marine Science (ISMAR) steht die Entwicklung noch am Anfang. Die Prognosen lassen nichts Gutes erwarten. "Im Mittelmeer ist seit 1982 eine Erwärmung der Meeresoberflächentemperatur um etwa 0,4 Grad pro Jahrzehnt zu verzeichnen. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend in diesem Jahrhundert noch verstärken wird", schreibt Schroeder. Regionale Faktoren machten das Mittelmeer besonders anfällig für eine weitere Erwärmung. Dazu gehörten eine geringe Bewölkung, niedrige Windgeschwindigkeiten und geringere Meeresströmungen, die alle die Speicherung und Verstärkung der Hitze in der Region begünstigten.

Was also tun, um das Artensterben im Mittelmeer zu verhindern? In erster Linie müsse der Klimawandel bekämpft werden, sind sich die Experten einig. Darüber hinaus könnten die Mittelmeeranrainer aber noch mehr tun. Der Eintrag von Nährstoffen aus Landwirtschaft, Tourismus und Küstenentwicklung müsse reduziert werden. Außerdem müsse die im Mittelmeer besonders gravierende Überfischung stark verringert werden. "Wenn dies gelingt, dann können sich die typischen Mittelmeer-Lebensräume besser gegen die negativen Folgen der Meereserwärmung wehren", macht Christian Wild von der Universität Bremen wenigstens ein bisschen Hoffnung. (tok)